Politik

Klinikleitungen skeptisch gegenüber geplanter Vorhaltefinanzierung

  • Freitag, 16. Juni 2023
/NIKCOA, stock.adobe.com
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Berlin – Die Krankenhausreform soll insbesondere mithilfe der geplanten Vorhaltefinanzierung die wirtschaftliche Lage der Kliniken verbessern. Allerdings zeigten sich auf dem Hauptstadtkongress einige Klinikleitungen skeptisch, ob diese Finanzierungsform die Situation der Krankenhäuser tatsächlich verbessern könne.

Dass es eine Finanzierungsreform in der Krankenhauslandschaft braucht, zeigt auch der aktuelle Krankenhaus Rating Report 2023, der gestern vorgestellt worden ist. Demnach sind elf Prozent der Kliniken in Deutschland insolvenzgefährdet, ein Drittel schreibt rote Zahlen.

Das Instrument der Vorhaltefinanzierung verfolgt drei Ziele, betonte gestern der Gesundheitsökonom und Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Boris Augurzky auf dem Hauptstadtkongress. Es soll den Mengenanreiz des Systems der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) reduzieren, einen Anreiz zur Strukturoptimierung und Schwerpunktbildung schaffen sowie die Daseinsvorsorge stärken.

Der Geschäftsführer von Consus Health, Djordje Nikolic, betonte gestern, er sei kein Freund von Vorhaltefinanzierungen per Gießkanne. Für ihn sei diese Form eine zu komplexe Angelegenheit. Es könne nicht funktionieren, wenn auf das bereits komplizierte DRG-System noch eine Abrechnungsform draufgesattelt werde, die zum Ziel hat, die Finanzierung zu vereinfachen, so Nikolic. „Das ist ein Webfehler.“

Kliniken könnten derzeit zudem nicht länger als drei Monate im Voraus planen, bemängelte Erika Raab, Geschäftsführerin der Kreisklinik Groß-Gerau. Sie kritisierte die unzulängliche Planungssicherheit, die den Krankenhäusern schon länger Schwierigkeiten bereite. Grund dafür seien insbesondere stetig wechselnde Rechtsgrundlagen. Sie fürchtet auch angesichts der geplanten Vorhaltefinanzierung, dass diese keine verstärkte Planungssicherheit mit sich bringen werde.

Auch Johannes Wolff, Leiter des Referats Krankenhausvergütung im Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, hält das Instrument für zu kompliziert. Bei einer möglichen Einführung der Vorhaltefinanzierung bleiben die rund 16 Millionen jährlichen DRG-Fälle bestehen. Diese Fälle müssten auch in Zukunft weiterhin geprüft werden, um die Qualität aber auch um weiterhin Versorgungsforschung, die auf den Abrechnungsdaten fuße, sicherzustellen. Das Instrument der Vorhaltefinanzierung sei zwar toll, aber es sei wahnsinnig kompliziert, sagte Wolff. Es brauche jemand, der das richtig gut umsetzt.

Auch der Finanzgeschäftsführer bei Vivantes, Alexander Hewer, schätzt, dass die geplante Finanzreform in der Krankenhauslandschaft aufgrund der erhöhten Komplexität zu einem Mehrbedarf an Medizincontrolling in den Kliniken führe. Ob das schlussendlich für die Krankenhäuser besser sei, bezweifelte Hewer.

Einige Vertreterinnen und Vertreter von Kliniken nannten zudem das Problem der Sachkostenfinanzierung. So könnten insbesondere große Krankenhäuser, die teure Operationen mit hohen Sachkosten durchführen, künftig Verluste einfahren, da nur noch ein Teil der Abrechnung über die DRGs laufen soll.

Augurzky entgegnete, dass es künftig für sachkostenintensive DRGs eine Untergrenze der Vorhalte­finanzierung geben müsse. Augurzky ist Teil der Regierungskommission Krankenhaus, die im Dezember 2022 eine künftige Krankenhausfinanzierung mit einem Anteil von 40 Prozent Vorhaltefinanzierung vorgeschlagen hat.

Das derzeitige Erlösvolumen der Fallpauschalen ohne Pflegekosten (aDRG) von rund 61 Milliarden Euro müsste künftig anders verteilt werden, so Augurzky. „Bei einer Umverteilung gibt es immer Gewinner und Verlierer“, sagte er.

Auch aufgrund dieser Problematik schlägt er weiterhin vor, zunächst mit einem Anteil der Vorhalte­finanzierung von 40 Prozent zu starten. Damit würden bei einem Gesamterlös von 4.000 Euro künftig immer noch 3.000 Euro durch die DRG und 1.000 Euro durch das Vorhaltebudget finanziert werden. Bei dem Vorschlag auf 60 Prozent Vorhaltebudget zu gehen, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zuletzt angekündigt hatte, würde sich der Anteil des Erlöses auf jeweils 2.000 Euro verteilen, erklärte Augurzky.

cmk

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