Klinische Prüfungen: Ethik-Kommissionen für Audit von IT-Plattform

Berlin – Die Probleme um das EU-Portal „Clinical Trials Information System“ (CTIS), über das seit Februar dieses Jahres alle Anträge auf die Durchführung klinischer Arzneimittelstudien eingereicht werden müssen, dauern an.
Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Berlin konstatierten die Mitglieder des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen in Deutschland (AKEK) gestern einhellig massive Funktionsmängel.
„Das System ist nicht benutzerfreundlich, verschwendet Ressourcen und gefährdet die Patientensicherheit“, sagte der AKEK-Vorsitzende Georg Schmidt dem Deutschen Ärzteblatt im Anschluss an die Mitgliederversammlung.
Der AKEK fordert daher zeitnah ein Audit der IT-Plattform auf EU-Ebene durch eine unabhängige Instanz. Zudem schlagen die Mitglieder einen Verzicht auf die Überführung von Klinischen Prüfungen, die noch vor dem Inkrafttreten der EU-Verordnung genehmigt wurden, in CTIS vor.
Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte heute, dass sie sich in enger Abstimmung mit dem AKEK weiterhin für diese wichtige Thematik aktiv engagieren und für die zeitnahe Durchführung eines unabhängigen Audits unter Einbeziehung der Anwenderperspektive einsetzen wolle.
Da das CTIS-Portal quasi die Drehscheibe der Kommunikation zwischen Antragstellern, Behörden und Ethikkommissionen ist, bestehe die Gefahr einer verminderten Patientensicherheit aufgrund verzögerter Therapien und einer Schädigung des Forschungsstandorts Europa, warnt der AKEK. Auch die BÄK sieht erhebliche Risiken für die Zukunftsfähigkeit des Forschungsstandortes.
„Bisher war unsere Arbeit sachbezogen, doch jetzt besteht sie hauptsächlich aus Formalismen“, erläuterte der AKEK-Vorsitzende dem Deutschen Ärzteblatt weiter. Zwar seien anfängliche technische Schwierigkeiten, wie Systemabstürze, minimiert worden, doch generell sei CTIS nicht aus Sicht der Nutzenden programmiert. „Aus unserer Sicht ist das nicht zu heilen.“
Allerdings verpflichtet die EU-Verordnung 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln, die seit 31. Januar 2022 in Kraft ist, zur Einreichung von Arzneimittelstudien über das CTIS-System.
Seit Anfang Februar ist auch die einjährige Übergangsfrist abgelaufen, nach der bislang noch Anträge nach altem Recht eingereicht werden konnten. Eigentlich sollte spätestens jetzt das IT-Portal dem Artikel 80 der genannten Verordnung zufolge „auf dem jeweils neuesten Stand der Technik und benutzerfreundlich“ sein, damit kein unnötiger Arbeitsaufwand entstehe.
Nach den Erfahrungen mit dem Portal sei inzwischen aber klar, dass diese Anforderung nicht erfüllt sei, sagte Schmidt dem Deutschen Ärzteblatt. Die Mitglieder des AKEK seien wegen der schweren Funktionsmängel zu dem Schluss gekommen, dass dringender Handlungsbedarf bestehe.
Die Warnungen sind nachdrücklich, aber nicht neu: Bereits Ende November 2022 – vor Auslaufen der Übergangsfrist – hatte sich der AKEK gemeinsam mit der Bundesärztekammer, dem Medizinischen Fakultätentag (MFT), dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und den Verbänden der Antragsteller von Arzneimittelprüfungen aus der pharmazeutischen Industrie an die Öffentlichkeit gewandt.
Übereinstimmend hatten sie bereits damals festgestellt, dass das CTIS-Portal an gravierenden Mängeln leide und für alle Beteiligten zu weiten Teilen nicht handhabbar sei. „Es besteht die greifbare Gefahr, dass die Dysfunktionalität des CTIS-Portals zu einer womöglich dauerhaften Abwanderung von Medikamentenerprobungen in andere Weltregionen führt“, erklärten die Verbände.
Die Bundesärztekammer hatte unter anderem die Europäische Kommission und die EU-Gesundheitskommissarin im Dezember 2022 aufgefordert, die verpflichtende Antragstellung für klinische Prüfungen über CTIS so lange auszusetzen, bis dessen reibungsloses Funktionieren sichergestellt ist.
In ihrem Antwortschreiben vom Januar 2023 hatte die Kommission jedoch lediglich erklärt, sie halte die Ankündigung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für ausreichend, dass diese bis Ende Januar 2023 die Funktionsfähigkeit von CTIS herstellen werde. Eine Fristverlängerung per Gesetzgebungsverfahren sei nicht vorgesehen.
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