Politik

Regelungen zu Medizinprodukten und IT-Plattform für klinische Prüfungen in der Kritik

  • Donnerstag, 24. November 2022

Berlin – Angesichts der digitalen Transformation in der Medizin werden künftig zwangsläufig auch neue re­gulatorische Anforderungen an die Entwicklung von medizinischen Verfahren notwendig sein. Dies betonte der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen (AKEK) auf seiner diesjährigen Jahrestagung in Berlin.

Die AKEK ist der Zusammenschluss von 52 Medizinischen Ethik-Kommissionen in Deutschland. Die Jahresta­gung steht unter dem Titel „Regulatorische Kontroversen bei der Entwicklung neuer KI-gestützter medizini­scher Verfahren“.

Mit dem Begriff „Regulation“ seien die neuen Gesetzgebungen zu Medizinprodukten gemeint, nämlich die Medical Device Regulation (MDR) und das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), sagte der AKEK-Vorsitzende Georg Schmidt dem Deutschen Ärzteblatt. „Beide Gesetzestexte sind nicht an allen Stellen eindeutig, und das führt zwangsläufig zu unterschiedlichen Auslegungen.“

Schwerpunktmäßig diskutierte der AKEK deshalb auf seiner Jahrestagung die Erfahrungen und regulatori­schen Kontroversen rund um die Entwicklung neuer KI-gestützter medizinischer Verfahren.

Großen Raum nahmen aber auch die grundsätzlichen Herausforderungen der Medizinprodukteentwicklung unter der neuen EU-Verordnung (Medical Device Regulation/MDR) sowie der Geltungsbeginn der EU-Verord­nung über klinische Arzneimittelprüfungen im Februar dieses Jahres ein, mit der sich die Art und Weise, wie klinische Prüfungen in der Europäischen Union (EU) durchgeführt werden, geändert hat.

Diese Änderungen erwiesen sich leider alles andere als lapidar, bedauert Schmidt. Zwar gelte bis zum Januar 2023 noch eine Übergangsfrist, doch klinische Prüfungen mit Arzneimitteln müssten seit fast einem Jahr über das von der Europäischen Arzneimittelagentur betriebene Informationssystem für klinische Prüfungen (Clini­cal Trials Information System, CTIS) eingereicht werden.

Diese wurde mit dem Ziel entwickelt, das Verfahren zur Genehmigung für die Durchführung einer klinischen Prüfung europaweit zu vereinheitlichen. „Leider ist sie momentan für alle Beteiligten dysfunktional, das heißt für Sponsoren, die Unterlagen einreichen wollen, aber auch für die Bundesoberbehörden und Ethikkommis­si­o­nen“, kritisiert Schmidt und fordert eine Verlängerung der Übergangsfrist. „Die digitale Umsetzung ist nicht gelungen.“

Die Ethikkommissionen beispielsweise brauchen Schmidt zufolge für die Erledigung formaler Aspekte eines Antrags jetzt mindestens viermal so lange wie vorher. Einige Kommissionen hätten sich sogar bereits aus dem neuen Vergabesystem abgemeldet. Dieses war eigens aufgebaut geworden, da sich aufgrund der Novelle alle Kommissionen, die sich an der Bewertung der Genehmigungsanträge für klinische Prüfungen beteiligen wollen, Minimalanforderungen an Organisation und Zusammensetzung erfüllen müssen.

Dazu mussten sie sich beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) registrieren lassen. Die registrierten Ethik-Kommissionen hatten dann einen Geschäftsverteilungsplan erlassen, der die Zuteilung der durch das neue EU-Portal eingehenden Genehmigungsanträge an die Ethik-Kommissionen regelt. Denn diese erfolgt seit Februar nicht mehr gemäß dem lokalen Zuständigkeitsprinzip, was eine bundeseinheitliche Vorgehensweise der Ethik-Kommissionen bei der Bewertung von Anträgen dringend erforderlich macht.

Doch nicht nur die beteiligten Ethik-Kommissionen haben mit Problemen zu kämpfen: „Auch die potenziellen Antragsteller sind bereits nach den ersten Monaten frustriert. Dies zeige sich an ihrer Zurückhaltung: „Statt der üblichen 1.000 Anträge im Jahr hatten wir dieses Jahr bisher nur etwas mehr als 100 Anträge zu verzeich­nen“, so Schmidt.

Das Ende der Übergangsfrist im Januar kommenden Jahres sieht der AKEK-Vorsitzende sehr kritisch: „Leider sehe ich keine Anzeichen für eine Verbesserung des Systems, im Gegenteil: In den letzten Tagen war CTIS für Antragsteller, Behörden und Ethikkommissionen nicht mehr zu bedienen.“ Erste klinische Prüfungen hätten deshalb nicht genehmigt werden können. „Meiner Meinung nach sollte die Europäische Union umgehend ein Moratorium erlassen, um auch über den 31. Januar 2023 hinaus Anträge nach dem alten System zulassen zu können, so Schmidt.

ER

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung