Kritik an Plänen für Aufbau einer Bundesethikkommission

Berlin – Der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen in der BRD (AKEK) betrachtet das Strategiepapier 4.0 zur „Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland“, in dem die Idee der Einrichtung einer „Bundesethikkommission“ formuliert wird, mit großer Sorge.
Das Verständnis und die Rolle der medizinischen Ethikkommissionen im Rahmen von Genehmigungsverfahren klinischer Forschungsvorhaben würden in dem Papier von Bundeskanzleramt, Bundesgesundheitsministerium und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erheblich tangiert, sagte heute der AKEK-Vorsitzende Georg Schmidt auf der 41. Jahrestagung des AKEK in Berlin.
Der Aufbau einer Parallelbürokratie – nämlich die Errichtung einer „Bundesethikkommission“ für bestimmte Forschungsvorhaben – sei für das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsstandorts Deutschland zu stärken, nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich.
Zudem seien sowohl der AKEK als auch die Bundesärztekammer (BÄK) nicht in die Erstellung des Strategiepapiers einbezogen gewesen und man fühle sich angesichts eines ansonsten intensiven Austausches mit verschiedenen Initiatoren dieser Strategie übergangen, so Schmidt.
Tatsächlich könnte das Papier, das die Durchführung klinischer Prüfungen in Deutschland als im internationalen Vergleich zu aufwendig kritisiert, wesentliche Relevanz haben. Es könnte in ein nationales Medizinforschungsgesetz münden, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erstmals im Sommer angekündigt hatte, ohne jedoch nähere Inhalte zu benennen.
Konkret werden im Strategiepapier als forschungshemmende Faktoren in Deutschland eine doppelte Antragstellung bei der Strahlenschutzprüfung, Vertragsverhandlungen zwischen Sponsor und der durchführenden Institution, behördliche Bearbeitungszeiten sowie die Beteiligung der Ethikkommissionen genannt.
Als eine Lösung wird dabei unter anderem eine interdisziplinär zusammengesetzte Bundesethikkommission mit einer Geschäftsstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgeschlagen, die für besonders dringliche und anspruchsvolle Verfahren zuständig sein soll.
Es sei unerklärlich, warum die Erarbeitung des Papiers offensichtlich im engen Schulterschluss mit der Industrie erfolgt sei, andere relevante Akteure aber überhaupt nicht beteiligt wurden, kritisierte Schmidt heute. Auch ein „Runder Tisch“ im September zu diesem Thema habe im Bundeskanzleramt ohne Beteiligung des AKEK und der BÄK stattgefunden.
Thorsten Ruppert vom Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa), der der AKEK-Jahrestagung per Video zugeschaltet war, erklärte, dass sein Verband auch nicht an allen Gesprächen beteiligt gewesen sei.
Denn auch die Ansicht seines Verbandes sowie der in einer Konsultationsgruppe vertretenen Verbände sei, dass „institutionelle Verbesserungen im Antragsverfahren für Arzneimittelprüfungen nicht durch die Einrichtung einer Bundesethikkommission, sondern durch eine Stärkung des AKEK“ angegangen werden müssten. Nicht die Zentralisierung, sondern die Harmonisierung sei der Weg.
Grundsätzlich begrüßen BÄK und AKEK die Initiative für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine starke, nachhaltige und international wettbewerbsfähige Pharmaindustrie in Deutschland sowie in der Europäischen Union. Dies formulierten sie auch in ihrem jüngsten gemeinsamen Brief an das Bundeskanzleramt, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Auf verschiedenen Ebenen seien diesbezüglich Anstrengungen unternommen worden, heißt es darin. So seien die Transparenz und Harmonisierung im Hinblick auf die Bewertungsmaßstäbe der Ethikkommissionen gefördert und damit der Forderung nach „vorhersehbaren Marktgegebenheiten“ Rechnung getragen worden, betonten BÄK-Präsident Klaus Reinhardt und AKEK-Vorsitzender Schmidt.
Die Medizinischen Ethikkommissionen verfolgten seit ihrer Gründung vor mehr als 40 Jahren im Wesentlichen zwei Ziele: die Gewährleistung des Probandenschutzes im Hinblick auf mögliche Risiken des Forschungsvorhabens sowie die Stärkung qualitativ hochwertiger Forschung in Deutschland, erklären sie in ihrem gemeinsamen Brief weiter.
Mehr als 1.000 ehrenamtliche Mitglieder der Ethikkommissionen verfügten über eine hohe fachliche Kompetenz aus allen Bereichen der Medizin, Biometrie, Jurisprudenz, Patientenvertretung und anderen gesetzlich vorgesehenen Gruppierungen. Die institutionelle Unabhängigkeit der Ethikkommissionen sei zudem ein zentrales Element für den Patientenschutz und auch für die gesellschaftliche Akzeptanz der Forschung am Menschen.
Zur Erinnerung: Mit der EU-Verordnung und der damit einhergehenden EU-weiten Harmonisierung sei eine möglichst bundeseinheitliche Vorgehensweise der Ethikkommissionen wichtiger denn je geworden, hatte Reinhardt als Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Geschäftsführungen und Vorsitzenden der Ethikkommissionen der Landesärztekammern, dem Deutschen Ärzteblatt anlässlich des Geltungsbeginns der EU-Verordnung Nr. 536/2014 über klinische Arzneimittelprüfungen im vergangenen Jahr erklärt.
Die Bundesärztekammer hatte dafür gemeinsam mit dem AKEK die entsprechenden Vorarbeiten geleistet. Konkret hatten die Ethikkommissionen ihre Empfehlungen zur Bewertung der Prüferqualifikationen novelliert und deren Anwendung mit großer Mehrheit im Sinne einer Selbstverpflichtung konsentiert.
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