Kontroverse Debatte um Folgenabschätzung zu pränatalen Bluttests angestoßen

Berlin – Eine interfraktionelle Bundestagsgruppe aus 121 Abgeordneten von SPD, CDU/CSU, Grünen, FDP und der Gruppe Die Linke hat in erster Lesung einen Antrag in den Bundestag eingebracht, durch den die Folgen der Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) systematisch untersucht werden sollen. Er wurde gestern Abend an verschiedene Ausschüsse des Bundestags überwiesen, erhielt jedoch auch Gegenwind aus den Reihen des Parlaments.
„Es ist ein kleiner Antrag zu einem großen Thema“, sagte Dagmar Schmidt (SPD) als eine der Initiatorinnen des Antrags gestern im Bundestag. Nachdem es in der vergangenen Legislaturperiode eine Orientierungsdebatte im Parlament zu den pränatalen Bluttests auf Trisomie 13, 18 und 21 gegeben hätte, gehe es ihrer Gruppe mit dem Antrag „Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests – Monitoring der Konsequenzen und Einrichtung eines Gremiums“ jetzt nicht um grundsätzliche Fragen, sondern vielmehr um die Folgen der Finanzierung der Tests durch die Krankenkassen.
Hintergrund ist die Tatsache, dass seit Juli 2022 Schwangere nach Rücksprache mit ihrer behandelnden Gynäkologin oder des behandelnden Gynäkologen als Kassenleistung erhalten können, während zuvor ein NIPT selbst bezahlt werden musste.
Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion zufolge tendenziell gestiegen: Während im ersten Quartal 2021 24.641 Abbrüche registriert wurden, waren es im ersten Quartal 2022 25.817 Abbrüche und im ersten Quartal 2023 27.576 Abbrüche.
Bei einer Geburtenrate in Deutschland, die im zurückliegenden November bei 631.000 Kindern für das Jahr 2023 lag, hätten 137.914 schwangere Frauen im ersten Halbjahr 2023 einen NIPT als Krankenkassenleistung genutzt. Ob es einen Zusammenhang zwischen den Zahlen gibt, ist unklar.
Der interfraktionellen Initiative zufolge gibt es jedoch Hinweise, dass Schwangeren unabhängig von einer medizinischen Relevanz empfohlen werde, einen NIPT vornehmen zu lassen. Dies zeigten die Abrechnungszahlen zum NIPT in den ersten zwölf Monaten seit Kassenzulassung – von Juli 2022 bis Juni 2023.
Danach komme auf weniger als drei Geburten ein NIPT. Dies sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass der vorgeburtliche Trisomienbluttest nicht nur in begründeten Einzelfällen zum Einsatz komme, wie es die Mutterschaftsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorsehe, sondern bereits zur Routineuntersuchung in der Schwangerschaft geworden sei, mahnen sie.
Zudem deuteten Daten darauf hin, dass seit der NIPT-Kassenzulassung risikoreichere invasive Untersuchungen, wie die Amniozentese, zur Abklärung eines positiven Befunds zugenommen hätten. „Obwohl der Test nicht zur Routine werden sollte, scheint dies jedoch zu geschehen“, sagte gestern die Ärztin Kirsten Kappert-Gonther (Grüne). „Wir wissen es aber nicht genau, deshalb brauchen wir ein Monitoring.“
Die Abgeordneten fordern mit dem Antrag daher die Bundesregierung auf, ein Monitoring zu den Folgen der Kassenzulassung des NIPT zu veranlassen und ein Expertengremium einzurichten, das die ethischen, rechtlichen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Zulassung prüfen soll.
Konkret sollen zeitnah belastbare Daten der in der Mutterschaftsrichtlinie geforderten ausführlichen medizinischen Beratung Schwangerer vor und nach der Inanspruchnahme eines NIPT erhoben werden sowie Daten zu Bedarfen und Angeboten nicht medizinischer Beratungsangebote und zur Qualität ihrer Vernetzung.
Evaluiert werden soll zudem die Inanspruchnahme des NIPT sowie deren Gründe, die Inanspruchnahme einer anschließenden invasiven Abklärung und die Entwicklung der Geburtenrate von Kindern mit Trisomie 21. „Sollte es wirklich nach Zulassung der Tests als Kassenleistung zu vermehrten Amniozentesen gekommen sein, würde dies einer guten Gesundheitsversorgung widersprechen“, so Kappert-Gonther.
Dass der Bluttest mit der Erwartung verbunden sei, diesen auch in Anspruch zu nehmen, meinte gestern Julia Klöckner (CDU). „Der Test hat aber keine kurative Konsequenz“, mahnte sie. Stattdessen zeigten Daten aus anderen Ländern, wie beispielsweise Dänemark, dass kaum noch Kinder mit Down-Syndrom geboren würden.
Auch hierzulande befürchten Menschen mit Trisomien eine sinkende Akzeptanz ihrer Behinderung in der Gesellschaft durch die Ausweitung des NIPT. Einige von ihnen waren gestern zur Debatte in den Bundestag gekommen, unter ihnen Carina Kühne, Schauspielerin und Aktivistin mit Down-Syndrom (Trisomie 21).
„Seit der NIPT (Bluttest auf Trisomien) Kassenleistung ist, gehört er eigentlich zur Vorsorgeuntersuchung dazu. Immer mehr werdende Eltern entscheiden sich dann gegen ihr ungeborenes Kind und treiben es ab. Dabei sind die Resultate dieser Gentests oft auch falsch positiv. Wird es bald eine Welt ohne Kinder mit einer Trisomie 21 geben?“, fragte sie im Vorfeld der Debatte vor der Presse. Es sei schwierig, wenn man spüre, dass man eigentlich nicht erwünscht sei.
Während der Debatte gestern kamen auch Nichtunterzeichner der Initiative zu Wort: Es müsse möglich sein, Schwangerschaften bei dem Vorliegen von Trisomien abzubrechen, ohne dass es eine „Gesinnungsprüfung“ gebe, sagte die Ärztin Tina Rudolph (SPD).
Für alle Entscheidungen müsse die Gesellschaft die besten Rahmenbedingungen bereitstellen, sagte sie. Die Versicherteninformation betone, dass die NIPT keine empfohlene Untersuchung sei, sondern abhängig von der persönlichen Situation. „Wir brauchen tatsächlich mehr verlässliche Daten zur NIPT.“ Nicht überzeugt sei sie jedoch von diesem Bundestagsantrag.
Katrin Helling-Plahr (FDP) ist gänzlich überzeugt, dass es diesen Antrag nicht braucht. „Ich glaube an mündige Schwangere, die selbst entscheiden können, ob sie diesen Test wollen oder nicht“, betonte sie. Die Kassenzulassung der NIPT dürfe nicht zum Spielball politischer Interessen werden.
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