Kopf-Hals-Tumore: HLA-Gene könnten schwerer wiegen als Rauchen und Alkoholkonsum

Leipzig – Forscher der Universität Leipzig haben erstmals eine genetische Disposition für Tumore in der Kopf-Hals-Region wie Zungen-, Rachen- oder Kehlkopfkrebs nachgewiesen. Diese Veranlagung wiegt mitunter sogar schwerer als die Risikofaktoren Rauchen und Alkoholkonsum. Die Ergebnisse der Beobachtungsstudie wurden kürzlich in Oral Oncology publiziert (2017; doi: 10.1016/j.oraloncology.2017.04.017).
Tabak- und Alkoholkonsum und neuerdings auch humane Papillomviren (HPV-16) gelten als die Hauptrisikofaktoren für Tumore in der Kopf-Hals-Region. „Zu viel geraucht, zu viel getrunken – selbst schuld!“, lautet meist die einfache Lösung, durch die Patienten mit Kehlkopf-, Rachen- oder Zungenkrebs stigmatisiert werden. „Viele unserer Patienten leiden psychisch unter dieser Zuschreibung. Gerade junge Frauen, die immer einen gesunden Lebensstil gepflegt haben, fallen darunter“, sagt Andreas Dietz, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig.
Die Leipziger Forscher konnten nun erstmals zeigen, dass es immunologisch relevante Gene gibt, die eine Prädisposition für diese Tumorarten bedingen könnten. „Wir konnten sogar herausstellen, dass die Genetik schwerer wiegt als die klassischen Risikofaktoren Rauchen, regelmäßig hoher Alkoholkonsum oder fortgeschrittenes Lebensalter der Patienten“, berichtet Gunnar Wichmann, Laborleiter des Hals-, Nasen- und Ohren-Forschungslabors der Universität Leipzig und zugleich Studienleiter. Da es sich um eine unkontrollierte Beobachtungsstudie handelt, kann diese Schlussfolgerung jedoch nicht eindeutig nachgewiesen werden.
Für die Untersuchung entnahmen er und sein Team 90 Krebspatienten Blut und analysierten die Erbinformation der Leukozyten. Sie erfassten die Häufigkeit von Humanen Leukozyten-Antigenen (HLA). Diesen kommt eine zentrale Rolle bei der Aktivierung von T-Lymphozyten zu.
Diese HLA-abhängige Immunantwort und das Abtöten mutierter Zellen sind bei Patienten mit einer genetischen Prädisposition für Krebserkrankungen in der Kopf-Hals-Region jedoch gestört. Für einige Allele des Gens HLA-B, das unter anderem für die Immunantwort zuständig ist, wiesen die Leipziger Wissenschaftler eine signifikant veränderte Frequenz nach. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die betroffenen HLA-B-Allele und deren Kombination mit Allelen von HLA-A und anderen Genorten des HLA-Genkomplexes, trotz fehlender Risikofaktoren Alkohol und Rauchen mit einem schlechteren klinischen Verlauf verbunden waren“, sagt Wichmann.
Überrascht hat das Autorenteam, dass die HLA-Merkmale in multivariaten statistischen Analysen stabiler den klinischen Verlauf prognostizierten als eine Reihe etablierter klinischer Faktoren wie Lebensalter, Rauchen, Alkoholkonsum, Tumorlokalisation, Tumorgröße oder Lymphknotenbefall. Das könnte bedeutet, dass die Allele nicht mehr so miteinander zusammenwirken, dass entartete Zellen abgetötet werden. Besonders deutlich wurde dies bei Frauen. Nach Meinung der Autoren könnte die pauschale Zuweisung, der Patient trage die Schuld am Ausbrechen der Krankheit tragen, zu kurz.
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