Politik

Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen sollen sich spezialisieren

  • Donnerstag, 12. September 2019
/Gorodenkoff, stockadobecom
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Düsseldorf – Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen (NRW) sollen sich künftig auf bestimmte Leistungen spezialisieren. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte heute eine Kehrtwende in der Krankenhausplanung an. Künftig soll nicht mehr die Bettenzahl als Richtgröße dienen, sondern die Krankenhäuser sollen in Leis­tungsbereiche eingeteilt werden.

Damit ist Nordrhein-Westfalen laut Laumann das erste Bundesland mit einem solchen Modell. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht die Pläne als Vorbild auch für andere Bundesländer. „Das ist eine Blaupause für kluge Krankenhausplanung“, sagte er der Rheinischen Post. Patienten bräuchten für den Notfall eine Klinik in der Nähe. Für gute Qualität bei planbaren Eingriffen seien die allermeisten Menschen aber auch bereit, etwas weiter zu fahren.

Laumann versicherte, es bleibe dabei, dass jeder Bürger in NRW bei Notfällen innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus erreichen können müsse. Bei seinen Plänen stützt er sich auf ein Gutachten, wonach die städtischen Ballungszentren in NRW, vor allem im Rhein-Ruhr-Gebiet, mit Krankenhausleistungen wie Kardiologie, Orthopädie und Geburts­hilfe überversorgt sind. Ländliche Gebiete sind dagegen bei einigen medizinisch Leistun­gen teils unterversorgt.

Ob es durch die Reform zu den befürchteten Krankenhausschließungen kommen könnte, ließen sowohl Laumann als auch die Autoren des Gutachtens offen. Dies sei „noch nicht seriös zu beurteilen“, sagte Laumann. Dies sei nicht ausgeschlossen, einen „Kahlschlag“ werde es aber nicht geben. Eine Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hatte im Sommer die Schließung von mehr als der Hälfte der Krankenhäuser in ganz Deutsch­land empfohlen. Laumann gehen diese Empfehlungen viel zu weit.

Steigerung der Qualität

Durch die in NRW geplante Reform werde die Versorgungssicherheit qualitativ „nach oben, nicht nach unten gebracht“, sagte Laumann. Jedes zweite bis dritte der rund 340 Krankenhäuser schreibe rote Zahlen. „Deswegen müssen wir an diese Strukturreform einfach ran.“

So bieten laut Gutachten etliche KrankenhäuserEingriffe an, in denen sie wenig Pra­xis haben. Beispiele Knieendoprothesen: 2017 gab es in NRW mehr als 30.000 Operatio­nen für Knie­gelenkprothesen an 233 Krankenhäusern. Mehr als die Hälfte dieser Eingriffe erfolgte in Häusern, die weniger als 100 solcher Fälle im Jahr haben. „Das sind im Schnitt nicht ein­mal zwei Operationen pro Woche“, sagte Laumann.

Von den rund 64.000 Schlaganfällen in NRW werden etwa 11.000 (18 Prozent) in Kran­ken­häusern behandelt, die keine spezielle Stroke Unithaben. 165 Krankenhäuser führ­ten 2017 Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse etwa 2.700 Mal durch. 66 Kliniken erreich­ten die vorgeschriebene Mindestmenge von zehn Operationen nicht.

Künftig sollen Doppelstrukturen bei medizinischen Leistungen vermieden werden. Da­durch könnten Geld und Personal gespart werden, so die Autoren. Die bisherige Kranken­hausplanung habe zu einer „problematischen Fehlentwicklung“ geführt, sagte Laumann. Eine gezielte Steuerung der stationären Versorgung sei nicht möglich. Auch Qualitätskri­terien spielten keine Rolle.

Druck für eine Reform der Krankenhäuser kommt auch durch die bis 2032 prognostizier­ten sinkenden Fall- und Belegungszahlen. Ausnahmen sind die die Geriatrie und die Palliativmedizin. Hier steigen wegen der Alterung der Bevölkerung die Fallzahlen stark an. Mit der Umsetzung der Strukturreform ist nicht vor 2021 zu rechnen.

Erst dann sollen Laumann zufolge die Verhandlungen über den neuen Krankenhausplan mit den Beteiligten vor Ort beginnen. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2022 will er die Reform aber unter Dach und Fach haben. „Wir betreten damit Neuland in NRW. Kein Bun­desland macht das“, sagte Laumann: „Aber wir werden es machen.“

Die Krankenhausgesellschaft NRW sieht Chancen und Risiken in der geplanten Reform und will sich „offen und konstruktiv“ an der weiteren Gestaltung beteiligen, sagte Präsi­dent Jochen Brink. Nicht Schließungen seien das Ziel, sondern die Verbesserung der Pa­tientenversorgung. „Wir fordern aber auch die Übernahme von politischer Verantwortung ein, wenn es zur Schließung von Abteilungen oder Standorten kommt.“

Die Krankenkassen begrüßten die Reform. Sie sei eine gute Grundlage, die Qualität in der stationären Versorgung zu verbessern und die Krankenhauslandschaft effizient zu gestal­ten. „Derzeit besteht die Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen aus einem Ne­beneinander von Fehl-, Über- und Unterversorgung.“ Krankenhäuser sollten sich zu größeren Einheiten zusammenschließen, empfahl der Verband der Ersatzkassen.

dpa

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