Krankenhäuser schlecht auf Blackouts vorbereitet, eingeschränkte Versorgung erwartet

Berlin – Stromausfälle hätten für die Versorgung der Krankenhäuser in Deutschland erhebliche Folgen. Die Konsequenzen hängen vielerorten davon ab, wie lange der Blackout dauert. Aber mit Defiziten ist schon früh zu rechnen. Das zeigte eine Umfrage des Deutschen Krankenhaus-Instituts (DKI), an der 288 Einrichtungen mit mehr als 50 Betten teilgenommen haben. Die Ergebnisse liegen dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vor.
Die gute Nachricht: Dem DKI zufolge sind alle Krankenhäuser in der Lage, eine Notstromversorgung sicherzustellen. Die schlechte: 21 Prozent der Häuser gaben an, dass die Überbrückung nur für wenige Stunden bis zu einem Tag reichen würde.
Die Mehrheit der Einrichtungen (59 Prozent) kann einen Stromausfall über mehrere Tage überbrücken – sie schaffen damit aber maximal sechs Tage. Auf Blackouts, die eine Woche oder länger andauern, sehen sich 21 Prozent der Befragten vorbereitet.
Kleiner Schwankungen gibt es je nach Größe der Krankenhäuser. Bei den Kliniken ab 600 Betten gaben 30 Prozent an, die Notstromversorgung eine Woche und länger aufrecht erhalten zu können. 13 Prozent der Kliniken in dieser Größenordnung schaffen aber nicht mehr als einen Tag.
Ein mehrtägiger Stromausfall hat auch erhebliche Konsequenzen für die Patientenversorgung. 14 Prozent der Krankenhäuser sagten, sie könnten die Versorgung im bisherigen Umfang sicherstellen. Eine deutliche Mehrheit ist dazu aber nicht in der Lage.
44 Prozent rechnen mit deutlichen Einschränkungen bei der Kapazität, 35 Prozent können nur noch eine Notfallversorgung anbieten. Sieben Prozent können nicht mehr arbeiten und fallen aus der Versorgung heraus.
Die Krankenhäuser sind in den vergangenen Wochen vor dem Hintergrund der Energiekrise nicht untätig geblieben. 56 Prozent der Befragten gaben an, ihre Notfallpläne für Stromausfälle aktualisiert – und zusätzliche Maßnahmen ergriffen – zu haben.
Vielen Kliniken fehlt kurzfristige Reaktionsmöglichkeit
Das DKI schreibt in dem Report zur Umfrage darüber hinaus, dass bezogen auf alle Krankenhäuser 38 Prozent der Einrichtungen kurzfristig keine Möglichkeit haben, die Wärmeversorgung anderweitig als durch Gas sicherzustellen.
Aller getroffenen Gegenmaßnahmen zum Trotz würden Engpässe in der Strom- und Gasversorgung die Krankenhäuser erheblich beeinträchtigen, schreibt das DKI. Die Häuser seien daher bevorzugt bei der Energieversorgung zu behandeln, um die Patientenversorgung zu sichern.
Dafür seien aber auch die den Krankenhäusern zuliefernden und für die Patentenversorgung dringend benötigten Unternehmen – wie Speiseversorger oder Wäschereien – bevorzugt zu versorgen. Andernfalls könne es trotz einer prioritären Berücksichtigung der Krankenhäuser zu Problemen in der Versorgung kommen.
Die steigenden Gas- und Stromkosten sind seit Wochen ein Dauerthema in den Einrichtungen des Gesundheitswesens. Gerald Gaß, Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), hat mehrfach eindringlich vor Insolvenzen und Evakuierungen gewarnt. Im Gegensatz zu Unternehmen in der freien Wirtschaft können die Kliniken steigende Kosten nicht einfach durch Preiserhöhungen weitergeben.
Busse regt Kopplung von Fördermitteln und Bettenabbau an
„Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ist zugegebenermaßen schlecht, da Einnahmen und Kosten auseinandergelaufen sind“, sagte Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin. Er ist Mitglied des Fachbeirates des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sowie Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung.
Busse betonte heute, die Krankenhäuser wiesen insbesondere auf die Energiekosten hin. Laut „Kostennachweis der Krankenhäuser“ des Statistischen Bundesamts betrügen die Kosten für „Wasser, Energie und Brennstoffe“ im Jahr 2020 rund 2,056 Milliarden Euro.
Das waren Busse zufolge zwar weniger als fünf Prozent der Sachkosten und etwa 1,7 Prozent der Gesamtkosten – oder, pro Bett gerechnet, rund 4.000 Euro im Jahr beziehungsweise elf Euro am Tag. Allerdings seien nur rund zwei Drittel der Betten belegt gewesen, sodass die Kosten pro belegtem Bett pro Tag bei rund 17 Euro gelegen haben.
„Dass nur zwei Drittel der Betten belegt waren und immer noch sind, ist das größere Dilemma der Krankenhäuser“, erläuterte Busse. Ihre Kosten entstünden für 500.000 Betten, während die Einnahmen nur über 350.000 belegte Betten erfolgten. Der Rückgang der Patientenfälle und der Bettentage sei „so groß, dass 700 Akutkrankenhäuser – alle Kliniken bis maximal 200 Betten – geschlossen werden müssten, damit die anderen 700 wieder so voll wären wie 2019“.
Das zeigt dem Wissenschaftler zufolge die Größenordnung der Misere auf. Die Auswirkungen des Fallzahlrückgangs um 13 Prozent seien für die Krankenhäuser „fast achtfach so groß wie eine Verdoppelung der Energiekosten mit 1,7 Prozent“.
Busse erläuterte weiter, dass die diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) für die Kliniken eine adäquate Einnahmequelle gewesen seien, als die Betten noch voll gewesen seien. Seit 2020 habe sich dieser Blick aber gewandelt. „An Stelle der leeren Betten sind andere Einnahmen wichtiger geworden.“
So habe das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) für den Zeitraum März 2020 bis Juni 2022 den Krankenhäusern insgesamt 22,16 Milliarden Euro als Freihaltepauschalen, Versorgungsaufschlag und für zusätzliche Intensivbetten zukommen lassen, ohne dass eine dringend notwendige Krankenhausstrukturreform auch nur einen Meter vorangekommen sei.
Busse mahnte an, jede weitere finanzielle Unterstützung an die Umsetzung von Reformen zu koppeln und insgesamt in Deutschland Betten abzubauen. Der Gesundheitsökonom schlägt vor, dass über alle Krankenhäuser hinweg „je x Euro Unterstützung y Betten dauerhaft“ abgebaut werden müssten.
„Viele Betten existieren gegebenenfalls schon gar nicht mehr beziehungsweise sind nicht mit Personal ausgestattet“, argumentierte Busse. Der Pandemieradar des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeige etwa, dass – in einer Stichprobe freiwillig meldender Krankenhäuser – rund 80 Prozent der betreibbaren Betten auf Normalstationen belegt sind.
Bringe man das in Beziehung zu den rund zwei Drittel, die sich für die aufgestellten Betten ergäben, zeige sich, dass – die Repräsentativität der meldenden Krankenhäuser vorausgesetzt – anscheinend 15 Prozent der Betten sowieso nicht mehr betrieben werden.
Solch ein „Abbau“ um rund 70.000 Betten entspreche rechnerisch exakt der offiziellen Kapazität der 700 Akutkrankenhäuser bis 200 Betten. Wenn die Betten ,offiziell‘ abgebaut wären, ergeben sich auch neue – deutlich bessere – Zahlen zur Personalausstattung pro Patienten.
Wie Lösungen für die Kliniken am Ende aussehen, berät derzeit die Politik. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprach mehrfach Lösungen. Heute finden Gespräche zwischen ihm und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) statt. Ergebnis offen.
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