Krankenhaus Rating Report: Zahl insolvenzgefährdeter Häuser stieg 2013 an

Berlin – Das Insolvenzrisiko für Krankenhäuser ist im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr weiter gestiegen. Lag die Wahrscheinlichkeit, dass ein Krankenhaus im kommenden Jahr seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, im Jahr 2012 noch bei 13 Prozent, stieg sie 2013 auf 15 Prozent an. Das geht aus dem Krankenhaus Rating Report 2015 hervor, der heute in Berlin auf dem Hauptstadtkongress vorgestellt wurde.
Die sogenannte Ausfallwahrscheinlichkeit eines Krankenhauses ist darin in einen roten Bereich (Ausfallwahrscheinlichkeit über 2,6 Prozent), einen gelben Bereich (Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen einem und 2,6 Prozent) und einen grünen Bereich (Ausfallwahrscheinlichkeit unter einem Prozent) gegliedert. Grundlage des Ratings sind dabei 600 Jahresabschlüsse von Krankenhäusern aus dem Jahr 2012 und 143 aus dem Jahr 2013.
„Während die Anzahl von Krankenhäusern im roten Bereich erneut gestiegen ist, hat sich deren Zahl im grünen Bereich bei 72 Prozent stabilisiert“, erklärte Sebastian Krolop von Philips Healthcare, einer der Autoren des Reports. Sehr unterschiedlich zeigt sich die Ausfallwahrscheinlichkeit dem Report zufolge dabei im regionalen Vergleich. Liegt diese in Ostdeutschland durchgängig unter 0,5 Prozent im grünen Bereich, ist sie vor allem in westdeutschen Flächenländern hoch (in Niedersachsen und Bremen liegt sie bei 2,4 Prozent, in Bayern und Baden-Württemberg bei zwei Prozent, in Hessen bei 1,8 Prozent). Vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen hat sich die Situation im Vergleich zum Vorjahr deutlich verschlechtert. „Die Krankenhäuser in Ostdeutschland haben in den 90er-Jahren strukturelle Anpassungen durchgeführt“, erklärte Krolop. „Die Häuser im Westen haben dies noch vor sich.“
Große Unterschiede zwischen den Krankenhausträgern
Große Unterschiede gibt es auch zwischen den Krankenhausträgern. Liegen bei den privaten Trägern 87 Prozent der Krankenhäuser im grünen und fünf Prozent im roten Bereich, sind es bei den freigemeinnützigen 76 Prozent im grünen und 14 Prozent im roten Bereich sowie bei den kommunalen Krankenhäusern 49 Prozent im grünen und 29 Prozent im roten Bereich. „Auch hier gibt es eine klare Differenzierung zwischen Ost- und Westdeutschland“, sagte Krolop. So seien in Ostdeutschland nur 1,7 Prozent der kommunalen Krankenhäuser von einer Insolvenz bedroht, in Westdeutschland hingegen 36 Prozent.
„Je reicher die Kommune ist, desto unwirtschaftlicher ist oft das Krankenhaus“, so Krolop weiter. Denn die reichen Kommunen seien viel eher in der Lage, ein unwirtschaftliches Krankenhaus zu subventionieren, um es nicht schließen oder umstrukturieren zu müssen.
Grundversorger haben „enorme Schwierigkeiten“
Enorme Schwierigkeiten hätten vor allem Grundversorger – auch, weil sie die Notfallversorgung in den Regionen sicherstellen müssten, meinte Krolop. Sobald Krankenhäuser sich stärker spezialisiert hätten, nähmen sie eher nicht an der Notfallversorgung teil.
„Wir sehen mit Sorgen, wenn kleinere Grundversorger sich auf komplexe Leistungen einlassen, bei denen sie den Eindruck haben, sie würden relativ gut vergütet“, betonte dazu Irmtraut Gürkan vom Universitätsklinikum Heidelberg. „Sie haben sich vielleicht einen tüchtigen Chefarzt eingekauft und meinen nun, sie könnten Transplantationen durchführen.“ Es komme aber nicht auf einen Arzt an, sondern auf die Leistungsfähigkeit des gesamten Teams.
„Mein Vorschlag ist: Große und kleine Häuser müssen besser zusammenarbeiten“, meinte sie und nannte ein Beispiel: „Das Universitätsklinikum Heidelberg hat mit zwölf umliegenden Krankenhäusern 47 Kooperationsverträge abgeschlossen. Die beinhalten, dass unser Chefarzt zugleich Chefarzt in mehreren anderen Abteilungen ist und die Gesamtsteuerungskompetenz hat.“
Die Idee sei dabei, dass die kleineren Krankenhäuser Leistungen der Grundversorgung übernehmen, während die Uniklinik sich auf die Maximalversorgung konzentriert. „Unsere Infrastruktur ist zu teuer, um Blinddärme zu operieren“, sagte Gürkan. „Wir machen dafür Transplantationen und onkologische Chirurgie.“ Wichtig sei dabei, „dass wir uns auf Augenhöhe begegnen. Denn unsere Partnerkrankenhäuser sind genauso wichtig für die Versorgung wie wir.“
„Verbünde allein reichen für mehr Wirtschaftlichkeit nicht aus“
„Krankenhausverbünde sind in der Regel wirtschaftlicher als Solisten“, fuhr Krolop fort. Nur bei kommunalen Krankenhäusern sei dies nicht zwangsläufig der Fall, weil dort Krankenhäuser teils zu Verbünden zusammengeschlossen würden, ohne weitere strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Und Verbünde allein reichten für mehr Wirtschaftlichkeit nicht aus.
Investitionsstau liegt bei mindestens zwölf Milliarden Euro
In dem Report sind auch Zahlen zur Investitionsfähigkeit der Krankenhäuser enthalten. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft lagen die Fördermittel der Bundesländer 2013 zwar bei 2,72 Milliarden Euro und damit um 4,2 Prozent höher als im Vorjahr – wobei der Einsatz der Fördermittel im Ländervergleich höchst unterschiedlich ausfiel. Dennoch beziffern die Autoren des Rating Reports die Anzahl der Krankenhäuser, die nicht investitionsfähig sind, auf 36 Prozent. Auch hier haben vor allem die kommunalen Krankenhäuser Probleme: Von ihnen sind dem Report zufolge 62 Prozent nicht investitionsfähig, von den freigemeinnützigen 39 Prozent und von den privaten sieben Prozent.
Den Gesamtinvestitionsbedarf der Krankenhäuser beziffern die Autoren des Reports auf 5,3 Milliarden Euro (ohne Universitätsklinika) pro Jahr. Etwa die Hälfte erhielten sie aber nur von den Bundesländern, so Krolop. Knapp 1,85 Milliarden Euro brächten die Krankenhäuser dabei selbst durch die Querfinanzierung aus Betriebsmitteln auf. Zudem müssten mindestens zwölf Milliarden Euro eingesetzt werden, um den bestehenden Investitionsstau aufzulösen.
„Es ist eine Schande, wie die Bundesländer ihre Krankenhäuser ausbluten lassen“, schimpfte Gürkan. „Die volkswirtschaftliche Investitionsquote liegt bei 18 Prozent – bei uns sind es vier Prozent!“
„Wir müssen überlegen, Tätigkeiten im medizinischen Dienst zu substituieren“
Ein großer Kostentreiber für die Krankenhäuser sei das Personal, betonte Krolop. „Der Pflegedienst wird seit 2006 kontinuierlich wieder aufgebaut. Und der ärztliche Dienst steigt seit Jahren an, das treibt die Kosten signifikant nach oben.“
„Beim Personal werden wir den aktuellen Trend, mehr Ärzte und Pflegekräfte einzustellen, nicht einfach fortschreiben können“, betonte Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), ebenfalls Autor des Rating Reports. „Wir müssen überlegen, ob wir manche Tätigkeiten im medizinischen Bereich nicht delegieren oder substituieren. Dabei geht es nicht allein um menschliche, sondern auch um digitale Assistenz.“ Dies sei auch für Ärzte von Vorteil. Denn wenn der Ärztemangel gerade im ländlichen Bereich ernst werde, freuten sich auch die Ärzte über telematische Strukturen.
Report: 161 kleine Krankenhäuser sind nicht versorgungsrelevant und sollten schließen
Von den geplanten Änderungen durch die Krankenhausreform erwarten sich die Autoren des Reports zum Teil Verbesserungen im Vergleich zum Status quo. So werde es sich positiv auf die Höhe der Landesbasisfallwerte auswirken, wenn künftig nur noch die Krankenhäuser Mehrleistungsabschläge zahlen müssten, die auch mehr Leistungen erbracht haben, sagte Augurzky.
Sinnvoll sei es zudem, Marktaustritte von unwirtschaftlichen Krankenhäusern mithilfe eines Strukturfonds zu fördern. Die Autoren des Reports schlagen jedoch einen sogenannten aktiven Strukturfonds vor, an den Krankenhausträger ein Krankenhaus übergeben können, um es schließen zu lassen. Sie haben insgesamt 161 defizitäre Krankenhäuser mit weniger als 400 Betten definiert, die aus ihrer Sicht nicht versorgungsrelevant sind und aus dem Markt austreten sollten. Um diese Krankenhäuser schließen zu können, müsse der Strukturfonds mit 2,7 Milliarden Euro ausgestattet sein, erklärte Augurzky.
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