Krankenhausreform: „Die Qualitätsdiskussion ist vergiftet“

Berlin – Experten haben die Auswirkungen des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) auf die deutsche Krankenhauslandschaft diskutiert. Bemängelt wurden vor allem diverse Aspekte des fallpauschalisierten Vergütungssystems (DRG).
„Heute können sich bedarfsnotwendige Krankenhäuser nicht aus dem System refinanzieren. Deshalb muss das System hinterfragt werden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland (kkvd), Ingo Morell, kürzlich auf einer Veranstaltung der Christlichen Krankenhäuser in Deutschland (CKiD) in Berlin.
„Die Wurzel ist die Finanzierungssystematik“, meinte der Sprecher Krankenhauspolitik und Gesundheitsökonomie der Linksfraktion, Harald Weinberg. Heute sind die Mittel für die Bezahlung von Pflegekräften in den einzelnen Fallpauschalen enthalten. „Aus unserer Sicht muss das Pflegepersonal extrabudgetär finanziert werden“, sagte Weinberg. Denn heute passiere es, dass das Geld, das für Pflegekräfte vorgesehen sei, umetikettiert und für andere Ausgaben verwendet würde.
Keine finanziellen Anreize zum Einstellen von Pflegekräften
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Maria Klein-Schmeink, kritisierte, dass es im DRG-System Anreize dafür gebe, einen besonderen Facharzt einzustellen, weil man mit ihm andere Erlöse erhalten könne. Es gebe aber keine finanziellen Anreize dafür, viele Pflegekräfte einzustellen.
Sie beanstandete zudem, dass es im Rahmen des KHSG nicht gelungen sei, die Investitionsfrage zu lösen. Heute überweisen die Bundesländer ihren Krankenhäusern nur etwa die Hälfte der Kosten, die diese für Investitionen wie Neubauten bräuchten. „Wir schlagen vor, dass zu jedem Euro, den das Land gibt, ein Euro der gesetzlichen Krankenversicherung hinzukommt“, sagte sie. „Dann hätten wir den großen Sprung.“
Morell kritisierte, dass das DRG-System von statistischen Daten lebe, dass man in ihm aber weiche Faktoren wie Zuwendung, Betreuung und Seelsorge nicht abbilden könne. Das mache es den Mitarbeitern schwer, sich Zeit für diese wichtigen Dinge zu nehmen.
„Die Qualitätsdiskussion ist vergiftet“
Mit dem KHSG wurde das Thema Qualität vorangetrieben. So können die Bundesländer Krankenhäuser aus dem Krankenhausplan herausnehmen, wenn diese über einen längeren Zeitraum vergleichsweise schlechte Qualität erbringen. Zudem sollen Krankenhäuser künftig Abschläge hinnehmen, wenn sie bei bestimmten Leistungen eine im Vergleich zu anderen Krankenhäusern schlechtere Qualität erbringen.
„Die Qualitätsdiskussion ist vergiftet, weil sie im Zusammenhang mit der Krankenhausplanung instrumentalisiert wird“, kritisierte der Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV), Christoph Radbruch. Die Politik müsse die Krankenhäuser in die Planung aufnehmen, die gebraucht würden, und dann dazu stehen. Die Qualität dürfe nicht dazu missbraucht werden, Krankenhäuser zu schließen.
Zudem betonte er, dass die Lebensqualität der Menschen in der Messung der Ergebnisqualität berücksichtigt werden müsse. „Für ältere Menschen gehört zur Lebensqualität, dass sie selbstständig sein können. Es wird aber nicht geprüft, ob die Indikationsstellung die Erhöhung der Lebensqualität zum Ziel hat“, kritisierte Radbruch. Zudem könne Beziehungsqualität nur ganz schlecht gemessen werden: „Mit welchen Kennzahlen soll ich zum Beispiel beschreiben, dass meine Ehe gut ist.“ Ein Parameter dafür könne die Zeit sein.
„Es bleibt das Problem des Ärztemangels“
Ingo Morell vom kkvd warnte davor, bei der Ausarbeitung der Qualitätskriterien dieselben Fehler zu machen, die schon bei der Ausarbeitung des DRG-Systems gemacht wurden: Die falschen Anreize zu setzen. Wenn Krankenhäuser entsprechend der Behandlungsqualität bezahlt würden, werde der Anreiz gesetzt, keine Patienten mehr aufzunehmen, die die Behandlungsqualität verschlechtern könnten, also zum Beispiel schwer kranke Patienten, die im Krankenhaus versterben könnten.
Morell sprach zudem ein anderes Problem an: „Egal, was die Politik beschließt: Es bleibt das Problem des Ärztemangels.“ In einem der Krankenhäuser der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe, die Morell zusammen mit anderen leitet, seien 20 Stellen nicht besetzt, erzählte er. Weil sie die entsprechenden Mitarbeiter nicht fänden. „Wir müssen heute längerfristig denken“, sagte er. „Wir müssen heute so handeln, dass wir in fünf Jahren bessere Rahmenbedingungen haben.“
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