Krankenhausreform: Lauterbach stellt Expertengremium vor

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will ab 2023 die größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre anpacken und sich dabei eng mit einer Expertenkommission abstimmen. Deren Mitglieder hat er heute in Berlin vorgestellt. Das Gremium unter Leitung des Psychiaters Tom Bschor werde allerdings kein einzelnes Gutachten vorlegen, sondern die Arbeit der kommenden zwei Jahre entlang von Sachfragen begleiten.
Es hat sich einiges angestaut im Krankenhauswesen. Zwar habe sich in der Coronapandemie einmal mehr gezeigt, dass Deutschland „über die leistungsfähigsten Krankenhäuser der Welt“ verfüge, erklärte Lauterbach am frühen Nachmittag. „Reformen waren aber schon notwendig, bevor die Pandemie begann.“ Die letzte große Strukturreform sei bereits im Jahr 2002 mit dem Krankhausstrukturgesetz erfolgt – auch damals schon unter seiner Beteiligung, wie Lauterbach betonte.
Einige der damals eingeführten Neuerungen bedürften nun aber dringend einer Aktualisierung, speziell das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG), das keine Versorgungsstufen vorsieht. Weiterhin müsse unter anderem auch die Notfallversorgung besser sichergestellt, der Pflegemangel behoben, die Finanzierung der Krankenhäuser neu strukturiert und die Krankenhausplanung neu aufgestellt werden.
Einige dieser Punkte fanden sich bereits im Koalitionsvertrag: „Die ambulante Bedarfs- und stationäre Krankenhausplanung entwickeln wir gemeinsam mit den Ländern zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiter“, heißt es da. Die Krankenhausplanung soll sich demnach an guter Erreichbarkeit der Kliniken und der demografischen Entwicklung mit einem steigenden Anteil der Älteren in Deutschland orientieren.
In der Finanzierung solle das bisherige System durch „ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt“ werden. Wie genau das geschieht, soll die nun vorgestellte „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ vorschlagen, die bereits in den kommenden Tagen ihre Arbeit aufnehmen soll.
Ihre Arbeitsweise müsse allerdings erst noch bestimmt werden, räumte Lauterbach ein. Fest stehe aber schon: „Das wird keine Gutachtenkommission, sondern eine Arbeitskommission.“ Erstere hätten sich nämlich nicht bewährt. Statt nur ein paar Monate zu existieren und dann einen Abschlussbericht vorzulegen, solle die Kommission wie ein Expertenrat funktionieren, der kontinuierlich Stellungnahmen zu kurzen, genau definierten Fragen erarbeitet.
16 Expertinnen und Experten sitzen in der Kommission und arbeiten unter Leitung von Tom Bschor, dem langjährigen Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie der Schlosspark-Klinik Berlin und stellvertretenden Vorsitzenden der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie. Er sei jemand, der „aus der Praxis kommt, das System von innen kennt und Partikularinteressen zusammenführen kann“, pries ihn Lauterbach. Die Mitglieder der Kommission wiederum kämen aus den vier Bereichen Medizin, Pflege, Ökonomie und Recht, erklärte Bschor: „Das ist die ideale Kombination, um diese große Aufgabe zu lösen.“
Das sehen viele im Gesundheitswesen anders. Zwar sei es gut, dass die Politik endlich die längst überfällige Reform der Krankenhausstrukturen angeht, da ohne tiefgreifende Veränderungen in absehbarer Zeit ein Kollaps der stationären Versorgung drohe, erklärte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt. „Vor dem Hintergrund der komplexen Herausforderungen bleibt es allerdings unverständlich, warum die Vertreter der ärztlichen Selbstverwaltung mit ihrem Erfahrungswissen bei der Besetzung der Kommission nicht berücksichtigt worden sind.“
Konkret brauche es eine Krankenhausvergütung, „die sich am Menschen und am Versorgungsbedarf orientiert“, so Reinhardt. „Wir brauchen eine Krankenhausplanung, die überall in Deutschland eine hochwertige Versorgung sicherstellt. Und schließlich müssen Bund und Länder gemeinsam den Investitionsstau von mehr als 30 Milliarden Euro in den Krankenhäusern auflösen.“
Auch die Krankenkassen fühlen sich offenbar übergangen. „Es wäre besser gewesen, die Kommission angemessen im Gesundheitswesen zu verankern, denn neben der wissenschaftlichen Theorie braucht ein solches Reformprojekt auch die konzeptionelle und die Umsetzungskompetenz der Selbstverwaltung“, kritisierte der GKV-Spitzenverband. „Aber selbstverständlich stehen wir bereit, um unsere Fachkompetenz und Erfahrung auch beratend in die Arbeit der Kommission einzubringen.“
Lauterbach machte sich diese Kritik nicht zu eigen. Die Organe der Selbstverwaltung von den Kassen bis zu den Krankenhäusern selbst würden im Rahmen von Anhörungen durchaus eine große Rolle bei der Arbeit der Kommission spielen, „sodass wir zu einem Ergebnis aus einem Guss kommen werden“. Sein Plan für die Krankenhausreform sehe ein dreistufiges Verfahren aus wissenschaftlicher Erarbeitung der Reformvorschläge, Anhörung der Verbände und Umsetzung in Zusammenarbeit mit den Ländern vor.
Die Kritik, dass sich in der Kommission neben der Selbstverwaltung auch Vertreter der Praxis außen vorgelassen würden, wies der Minister ebenfalls zurück. Viele der Mitglieder – namentlich etwa Jörg Dötsch, Christian Karagiannidis, Rajan Somasundaram oder Irmtraud Gürkan – würden durchaus praktische Erfahrung einbringen. „Ich glaube, dass wir eine Kommission haben, die in der Übersicht halb aus Wissenschaftlern, halb aus Praktikern mit einem wissenschaftlichen Hintergrund besteht“, sagte Lauterbach.
Entsprechend werde auch der Kurs der Kommission aussehen. Es werde in ihr „nicht primär Lobbykonflikte“ geben wie dies bei einer Zusammensetzung aus Mitgliedern der Standesvertretungen der Fall wäre, betonte Bschor. Stattdessen würden Experten mit unterschiedlichen Hintergründen und Schwerpunkten anhand von Zahlen, Daten, Statistiken und Studien entlang der Sachthemen diskutieren.
Der AOK-Bundesverband glaubt allerdings nicht daran, dass die Fachleute derart neutral auf die vorgelegten Fragen schauen werden: Zwar sei mit der Berufung der Regierungskommission „der erste Schritt getan, um die überfällige Reform anzustoßen“, erklärte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann. „Allerdings hätten wir uns gewünscht, dass auch die Beitragszahler sowie Arbeitgeber als Financiers direkt eingebunden werden. Zum Vergleich: Die Krankenhausseite ist mit sieben Vertreterinnen und Vertretern mit dabei.“
Jetzt komme es darauf an, dass die bekannten Vorschläge und Konzepte der Kassen zur Weiterentwicklung der Krankenhausstruktur auch Berücksichtigung finden. „Erkenntnisprobleme gibt es jedenfalls kaum noch, jetzt sollten wir zügig zur Umsetzung schreiten.“
Eine andere Kritik an der Zusammensetzung kam umgehend aus Bayern. „Die Krankenhausplanung gehört in die Hand der Bundesländer“, forderte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Es sei vollkommen inakzeptabel, dass das Bundesgesundheitsministerium die Länder bei der Bildung der Regierungskommission zur Krankenhausplanung und -finanzierung nicht als Mitglieder beteilige.
Holetschek fordere die Bundesregierung dringend auf, die Länder „so engmaschig und so frühzeitig einzubeziehen, dass eine substantielle Mitwirkung der Länder gewährleistet ist“. Auch er hätte sich „eine noch deutlich stärkere Praxisorientierung der Kommission gewünscht“, sagte Holletschek. „Wer am Krankenhausbett steht, muss auch mit am Verhandlungstisch sitzen.“
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