Politik

Krankenkassen nutzen Spielräume bevorzugt zur Akquise von Gesunden

  • Mittwoch, 4. April 2018
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Köln – Krankenkassen nutzen Spielräume, die eigentlich die Versorgung verbessern sollen, vorrangig zur Akquise von möglichst gesunden Mitgliedern. Das geht aus einem heute erschienenen Sonderbericht des Bundesversicherungsamtes (BVA) zum Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hervor. Anlass der Publikation ist die Umgestaltung der GKV vor 25 Jahren.

Die wettbewerbliche Ausgestaltung des Systems habe sich nach Einschätzung aller Experten im Gesundheitswesen im Wesentlichen bewährt, sagte BVA-Präsident Frank Plate im Vorwort. Es sei aber „auch nicht alles Gold, was vermeintlich glänzt“. Die Autoren der Publikationen nennen zum Beispiel die Zusatzleistungen in der GKV.

„Die entsprechenden Leistungskataloge der Krankenkassen unterscheiden sich kaum und neue Satzungsleistungen werden mit einem gewissen Zeitversatz auch von den Mitbewerbern angeboten“, schreiben sie. Es gebe bisher keine Satzungsleistungen für Rehabilitation, was darauf schließen lasse, dass Krankenkassen Zusatzleistungen vor allem zur Bindung und Akquise von Versicherten mit guten Risiken anböten. Das BVA schlägt vor, im Gesetz präzise Vorgaben für die Leistungen zu machen, die als Zusatzleistung in den Satzungen der Krankenkassen angeboten werden dürfen und diese Möglichkeit auf evidenz­basierte Leistungen zu beschränken.

Ähnlich kritisch sieht die Aufsichtsbehörde die Bonusprogramme der Krankenkassen. Es sei festzuhalten, dass sich „der gesetzgeberische Wille, mit dem Instrument der Bonusprogramme das gesundheitsbewusste Verhalten aller Versicherten zu stärken, in der Praxis nicht erfüllt hat“, heißt es im Bericht. Bonusprogramme würden vielmehr dazu genutzt, junge, gesunde sowie sportliche Versicherte anzusprechen und an die Krankenkasse zu binden. Zudem sei der Nutzen vieler angebotener Bonusprogramme nicht hinreichend qualitätsgesichert.

„In der Aufsichtspraxis stellt das BVA fest, dass Bonusprogramme häufig in der Mitgliederwerbung unzulässig eingesetzt werden, indem ein (zum Teil deutlich überhöhter) Sofortbonus als Halte- oder Wechselprämie eingesetzt wird“, heißt es im Bericht weiter. Zusammenfassend schlägt das BVA vor, „über den Fortbestand der gesetzlichen Regelungen zur Entwicklung von Bonusprogrammen nachzudenken“.

Auch Präventionsleistungen werden laut BVA von den Krankenkassen im Wettbewerb mit dem Ziel einer Akquise von gesundheitsbewussten Versicherten genutzt. „In der Aufsichtspraxis ist festzustellen, dass die Krankenkassen die im Präventionsgesetz vorgeschriebenen Ausgabewerte noch nicht erreichen“, schreiben die Autoren. Das BVA schlägt vor, dass Krankenkassen, die zu wenig Geld für die Prävention in Lebenswelten sowie für die betriebliche Gesundheitsförderung ausgeben, die nicht verausgabten Mittel an den GKV-Spitzenverband abführen. 

Wie der Bericht weiter aufzeigt, haben Selektivvertragsangebote nur vereinzelt einen innovativen Ansatz. „Die Krankenkassen nutzen Selektivverträge vor allem, um Ausgaben durch die Verlagerung stationärer Leistungen in die ambulante Versorgung zu sparen“, schreiben die Autoren des Berichts. Viele Selektivverträge verletzten gar die gesetzlichen Vorgaben. Zu nennen seien hier vor allem Sozialdatenverstöße, Verstöße gegen Zulassungsregelungen und die rechtswidrige Erhebung zusätzlicher Eigen­anteile der Versicherten über die gesetzlichen Zuzahlungsregelungen hinaus. „Um rechtswidrige Vertragsgestaltungen wirksam beseitigen zu können, schlägt das BVA die Wiedereinführung einer Anzeigepflicht von Selektivverträgen vor“, so die Autoren.

hil

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