Politik

Krankenkassen plädieren angesichts der Finanzlage für gesetzliche Nachbesserungen

  • Donnerstag, 18. August 2022
/Wolfilser, stock.adobe.com
/Wolfilser, stock.adobe.com

Berlin – Die AOK-Gemeinschaft verzeichnete im ersten Halbjahr 2022 ein Defizit von 98 Millionen Euro. Dies teilte der AOK-Bundesverband heute mit. Angesichts der Ausgaben sei auch im weiteren Verlauf des Jahres keine Entspannung der Finanzlage in Sicht, betonte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann.

Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) verwies heute auf – insbesondere für 2023 – bestehende erhebli­che Finanzierungslücken bei den Krankenkassen. Konkrete Finanzergebnisse für das erste Halbjahr 2022 will der Verband zeitnah vorlegen.

„Das aktuelle Ergebnis bestätigt unsere Befürchtungen. Die gesetzliche Krankenversicherung wird 2023 in schweres Fahrwasser kommen“, sagte Reimann. Mit dem sogenannten GKV-Finanzierungsstabilisierungsgesetz würden die größten Löcher „nur notdürftig und kurzfristig“ gestopft und dies „vor allem zulasten der Beitrags­zahlenden“. Von einer nachhaltigen Stabilisierung könne angesichts der großen Herausforderungen für die gesetzliche KGKV überhaupt keine Rede sein.“

Reimann kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem den mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ge­planten erneuten Zugriff auf die verbliebenen Rücklagen der Kassen. Damit verletze der Gesetzgeber die or­ganisatorische und finanzielle Autonomie der Kassen und verstoße gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. „Wenn jetzt nochmals auf die letzten Reserven zugegriffen wird, droht bei vielen Kassen eine Unterschreitung der Mindestrücklage von 0,2 Monatsausgaben“, so Reimann.

Der Zugriff auf die Reserven der Krankenkassen habe die AOK-Gemeinschaft schon im vergangenen Jahr mit rund 4,2 Milliarden Euro belastet – für die GKV insgesamt seien es acht Milliarden Euro gewesen. Bei einem weiteren Anstieg der Ausgaben könnte die Wegnahme der letzten Reserven unkalkulierbare Risiken für die gesetzlichen Krankenkassen auslösen. Auch die Insolvenz einzelner Kassen sei nicht ausgeschlossen, betonte Reimann.

Reimann erneuerte die AOK-Forderungen nach den im Koalitionsvertrag vorgesehenen höheren Beiträgen für die Versorgung der ALG-II-Beziehenden, einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent und nach weiteren Maßnahmen zur Senkung der Ausgaben. „Wir hoffen, dass im Bundesrat und in den Beratungen im Deutschen Bundestag noch die dringend notwendigen Nachbesserungen am Gesetz erfolgen.“

Ähnlich äußerte sich Ulrike Elsner, Vorstandsvositzende des vdek. Die Einnahmen- und Ausgabenschere der GKV wachse stetig an und weise mittlerweile eine „strukturelle Lücke“ auf. Das GKV-Finanzsta­bilisierungs­ge­setz belaste aber die Beitragszahler im Vergleich überproportinal – zudem würden Perspektiven für echte Strukturreformen fehlen.

Defizite im Gegenzug teilweise per Darlehen ausgleichen zu wollen, stelle als Mechanismus einen „Tabubruch“ dar. Elsner sprach im Zusammenhang mit einem weiteren Abschmelzen der GKV-Finanzreserven von einem „gewissen Risiko“, das Thema Kasseninsolvenz sei allerdings Spekulation.

Auch aus Sicht des vdek müsse eine auskömmliche Finanzierung für ALG-II-Empfänger, eine Mehrwertsteuer­senkung im Arzneimittelbereich sowie eine jährliche Dynamisierung des Bundeszuschusses umgesetzt wer­den. Sollten Beitragssatzsteigerungen unumgänglich sein, müsse der allgemeine Beitragssatz angehoben werden. Dies gebiete die „Fairness und Transparenz“, betonte Elsner.

Laut der vdek-Vorstandsvorsitzenden sei zudem ein höherer „Solidarbeitrag“ der Leistungserbringer denkbar. Um die Belastungen in der derzeitigen Krisensituation gleichmäßig zu verteilen, sei für das Jahr 2023 eine Nullrunde „für alle“ angebracht. Dies beinhalte auch die in Verhandlung befindliche Anpassung des Orientie­rungswertes. Im Gegenzug könne sie sich vorstellen, dass man die differenzierten Vergütungsregelungen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes bestehen lasse.

aha

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung