Kritik an Krankenhausinformationssystemen: Lauterbach erzürnt Gesundheits-IT-Verband

Berlin – Der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) zeigt sich bestürzt über Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu den Fähigkeiten seiner Mitgliedsunternehmen. Lauterbach hatte kürzlich behauptet, es gäbe auf dem deutschen Markt „keine wirklich gut funktionierenden Krankenhausinformationssysteme“.
Dass Karl Lauterbach, wie die meisten Fachleute, unzufrieden mit dem Stand der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens ist, ist nicht neu. Anfang Februar gab er auf der gemeinsamen Konferenz „Europe 2023“ von Die Zeit, Handelsblatt, Tagesspiegel und Wirtschaftswoche allerdings der Industrie eine indirekte Mitschuld an der aktuellen Lage.
Sowohl in der Versorgung als auch in der Forschung könnte das deutsche Gesundheitssystem deutlich besser sein, wenn es bereits erfolgreich digitalisiert worden wäre, sagte Lauterbach: „Wir haben viele Jahre lang ehrgeizig gesprochen, es ist aber nicht viel passiert. Wenn wir schauen, wo wir jetzt stehen: bestürzend.“
Kompatibilität mit der ePA muss verbessert werden
So sei die elektronische Patientenakte (ePA) „weitestgehend nicht da“, erklärte er. „Es gibt keine Anwendungen. Es gibt keine wirklich gut funktionierenden Krankenhausinformationssysteme. Wir haben große Probleme an allen Ecken und Enden.“
Ein Problem sieht Lauterbach dabei vor allem in der Kompatibilität mit der ePA. „Wir werden auch dafür sorgen müssen, dass die Krankenhausinformationssysteme miteinander kommunizieren und in die ePA hineinkommunizieren können“, kündigte er an.
Das sei bisher nicht gelungen, beklagte er, um direkt darauf den US-Anbieter Epic als positives Gegenbeispiel anzubringen: „Wenn man sich dort Systeme anschaut, die besonders gut sind, zum Beispiel das Epic-System in den Vereinigten Staaten, dann sieht man, wie viel besser die Versorgung wird, wenn man solche Systeme hat.“
Zwar müsse es nicht unbedingt dieser Anbieter sein. „Aber wir brauchen interoperable Krankenhausinformationssysteme, die ePA, das muss miteinander kommunizieren können, das muss dann auch in einen gesicherten Datenraum einfließen können.“
bvitg kritisiert den Vergleich mit einem einzigen US-Hersteller
Für den bvitg scheint ein besonderer Affront, dass Lauterbach die Kritik am hiesigen Markt mit dem Lob für den US-Anbieter verknüpft hat. Der Minister „fußt seine Analyse, dass es in Deutschland kein wirklich gut funktionierendes Krankenhausinformationssystem gibt, einzig auf die Funktionalitäten eines amerikanischen Herstellers“.
Dabei lasse er jedoch außer Acht, dass der US-amerikanische und der deutsche Markt völlig unterschiedlichen regulatorischen und datenschutzrechtlichen Vorgaben unterliegen, betont der Verband und spielt die Verantwortung zurück an Lauterbach.
„Der Bundesverband Gesundheits-IT setzt darauf, dass mit der anstehenden Digitalisierungsstrategie und den daraus entstehenden Gesetzen der Grundstein dafür gelegt wird, dass auch auf dem deutschen Markt aktive Krankenhausinformationshersteller ihre Innovationskraft zeigen können.“
Dazu hält der bvitg jedoch einen Paradigmenwechsel für notwendig: Damit die deutsche Industrie „ähnlich performant wie in den USA“ sein kann, dürfe Digitalisierung nicht mehr wie bisher in Einzelanwendung gedacht werden. Stattdessen müsse der gesamte Versorgungsprozess in den Vordergrund gestellt werden.
Und auch der Datenschutz steht erneut in der Kritik: So sollte Lauterbach die Chance ergreifen, „die hohen, bundesuneinheitlichen Datenschutzanforderungen und staatlich eingreifende Regulatorien und Spezifikationen, die die Einführung von Softwarelösungen negativ beeinflussen, so zu gestalten, dass sie für die Patientenversorgung sicher genutzt werden können“, fordert der Verband.
Nur so könne auch die deutsche Industrie kreative und innovative Lösungsansätze umsetzen, die sich im globalen Wettbewerb messen lassen.
Außerdem gebe es einen weiteren Unterschied, den man beim Blick auf den US-Markt nicht unterschlagen sollte: „Dort existieren erheblich umfangreichere Budgets für die Ausstattung der Kliniken mit IT-Systemen“, schreibt der Verband. „Hinzu kommt das Selbstverständnis, dass gute Softwarelösungen große Investitionen erfordern.“
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