Kurzsichtigkeit: Progression mittels Medikamenten und optischer Korrektur aufhalten

Freiburg/Tübingen – Weltweit wird eine Zunahme der Myopie beobachtet. Tageslichtmangel und Naharbeit, insbesondere durch die Nutzung digitaler Medien, stehen als Ursachen unter Verdacht. Eine Übersichtsarbeit, die im Deutschen Ärzteblatt erschienen ist, zeigt, dass pharmakologische und optische Maßnahmen das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit mindern können (Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 575-80).
Das Risiko einer Myopie erhöht sich um den Faktor fünf bei Menschen, die sich wenig im Tageslicht aufhalten. Drittklässler konnten ihr Myopie-Risiko innerhalb von fünf Jahren mit jeder Stunde Tageslicht um zehn Prozent senken (Orinda-Studie). Viele weitere Studien, die die Autoren Wolf Lagrèze von der Universität Freiburg und Frank Schaeffel von der Universität Tübingen in ihrer Übersichtsarbeit heranziehen, unterstützen diesen Zusammenhang. Präferieren Kinder, die viel Zeit in Innenräumen verbringen, zudem Naharbeit am Computer, Fernseher oder anderen Medien, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, kurzsichtig zu werden, auf das 16-Fache. Der Mangel an Tageslicht sei dabei der größere Risikofaktor verglichen mit der Naharbeit, schreiben die Autoren. Bei Kindern empfehlen sie daher zur Myopie-Prophylaxe eine Tageslichtexposition von etwa zwei Stunden pro Tag.
Um die Progression der Myopie zu verlangsamen, legen Lagrèze und Schaeffel den Fokus auf Atropin-Augentropfen. Die Ophthalmologen bescheinigen den 0,01-prozentigen Atropin-Augentropfen, dass sie die „aktuell vermutlich sinnvollste Form der Progressionsminderung“ seien. Denn Studien (ATOM) zeigen, dass diese niedrige Konzentration im Vergleich zu 0,1- und 0,5-prozentigen Atropin-Augentropfen den Dioptrienverlust am effektivsten dauerhaft bremst.
Atropin in zu hoher Dosierung führt zu schlechteren Ergebnissen
Die höheren Dosierungen verursachten nach Therapieende sogar einen Rückschlageffekt, das heißt die Progression war stärker als vor der Therapie. Die Empfehlung zur Off-Label-Therapie lautet daher: 0,01-prozentige Atropin-Augentropfen sollen vom Augenarzt unter Kontrolle des Effekts, etwa im Abstand von jeweils sechs Monaten, verordnet werden. Unbekannt sei, wie lange und bis zu welchem Alter die Therapie sinnvoll eingesetzt werden kann.
Im Vergleich zu den Atropin-Tropfen hätte eine multifokale optische Korrektur einen schwächeren Effekt auf die Progression. Hierbei beziehen Ärzte bei Kontaktlinsen zur Fernkorrektion eine zweite Schärfenebene für die Nähe ein. Wenn sich Kinder oder Jugendliche Kontaktlinsen anstelle einer Brille wünschen, kann der Arzt ein solch multifokales System in Erwägung ziehen. Vorzuziehen seien dabei harte Kontaktlinsen, da sie eine geringere Infektionsgefahr als weiche Kontaktlinsen aufweisen.
Prognose für 2050
Die Myopieprävalenz steigt seit Jahren an. Das zeigen Publikationen in den südostasiatischen Metropolen (Nature 2015; doi: 10.1038/519276a) und in Europa (European Journal of Epidemiology 2015; doi: 10.1007/s10654-015-0010-0). Prognosen für das Jahr 2050 sagen einen Anstieg auf 56 Prozent in Westeuropa vorher.
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