Medizin

Sehschwäche: Rasanter Anstieg bei US-Vorschulkindern prognostiziert

  • Donnerstag, 11. Mai 2017
Kind beim Sehtest Kurzsichtig /AdobeStock.com JenkoAtaman
Unter einer Sehschwäche litten im Jahr 2015 174.000 Vorschulkinder in den USA. Bei fast 70 Prozent war eine unkorrigiertere Fehlsichtigkeit die Ursache. /JenkoAtaman, stock.adobe.com

Berlin – Um das Augenlicht der US-Vorschulkinder ist es schlecht gestellt. Bis 2060 soll die Prävalenz von Sehschwächein in der Altersklasse zwischen drei und fünf Jahren um 26 Prozent ansteigen. So lautet die Prognose, die Forscher der University of Southern California in JAMA Ophthalmology publiziert haben (2017; doi: 10.1001/jamaophthalmol.2017.1021). In Deutschland rechnen Experten der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) mit keinem vergleichbaren Anstieg.

Unter einer Sehschwäche litten im Jahr 2015 174.000 Vorschulkinder in den USA. Bei fast 70 Prozent war eine unkorrigiertere Fehlsichtigkeit die Ursache. Dazu zählen etwa Kurz- und Weitsichtigkeit oder ein Astigmatismus. Als zweithäufigste Ursache ermittelten die Forscher mit 25 Prozent die Amblyopie. Weiße, hispanoamerikanische Kinder waren mit 38 Prozent am häufigsten betroffen.

Diese Gruppe wird auch noch im Jahr 2060 mit dann sogar 43,6 Prozent an erster Stelle stehen, vermuten Erstautor Rohit Varma und seine Koautoren. An zweiter Stelle folgen afroamerikanische Kinder. Am meisten betroffene Vorschulkinder werden dann in Cali­fornien, Texas und Florida leben. Die Prognosen basieren auf Hochrechnungen aus zwei Populationsstudien, der Multi-Ethnic Pediatric Eye Disease Study (MEPEDS) und der Baltimore Pediatric Eye Disease Study (BPEDS).

Auch in Deutschland sind Refraktionsprobleme mit 21,1 Prozent der häufigste Grund für einen Besuch beim Augenarzt. Erst kürzlich konnte eine Studie der Univer­si­tät Mainz zeigen, dass mehr als die Hälfte der Abiturienten und Hochschulabsolventen unter Kurzsichtigkeit (Myopie) leiden. Dennoch könne man die Prognose für die US-Vorschul­kinder nicht auf Deutschland übertragen, sagt Wolf A. Lagrèze von der Klinik für Augen­heilkunde am Universitätsklinikum Freiburg: „Ich halte einen vergleichbaren Anstieg bei Vorschulkindern hierzulande für unwahrscheinlich, da sich aktuell das Freizeitverhalten nicht im gleichen Maße umwälzt, wie in den USA, oder auch in Asien.“ Zudem sei die Überprüfung des Sehens Bestandteil von mehreren Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt, nicht zwingend beim Augenarzt.

Eine Studie von Brien A. Holden, die 2016 in Ophthalmology publiziert wurde, sage jedoch auch für Westeuropa eine Myopierate von 56,2 Prozent für das Jahr 2050 vorher, was über dem global erwarteten Durchschnitt von knapp 50 Prozent liegt. Im Jahr 2020 lag die Prävalenz in westeuropäischen Ländern hingegen nur bei 28,5 Prozent. „Aktuelle Daten von Kindern haben wir in Deutschland nicht“, sagt der Sprecher der DOG-Kommission für Orthoptik.

Um diesen Trend zu verhindern, empfiehlt das Team um Rohit Varma, ein Vorschul­screening in den USA einzuführen. Auch die Autoren einer Studie um Oliver Ehrt vom Universitätsklinikum München empfehlen ein frühzeitiges Refraktionsscreening im Vorschulalter. Die Kosten für eine augenärztliche Vorsorgeuntersuchung werden jedoch gegenwärtig nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, weil das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) ein augenärztliches Screening für Vorschulkinder bisher ablehnt. Einschränkend muss gesagt werden, dass ein solches Screening allein nicht alle Amblyopie-Ursachen aufdecken würde. Denn auch die Schwachsichtigkeit ist neben Refraktionsfehlern eine Hauptursache für Seh­schwächen bei Vorschulkindern.

gie

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