Politik

Laien­reanimations­quote muss deutlich erhöht werden

  • Freitag, 17. Mai 2024
Von links: Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Rates für Wiederbelebung, Bernd Böttiger, die Vizepräsidentin des Bundestages Katrin Göring-Eckardt (Grüne), der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen und Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer BVMed. /Schwencke
Von links: Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Rates für Wiederbelebung, Bernd Böttiger, die Vizepräsidentin des Bundestages Katrin Göring-Eckardt (Grüne), der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen und Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer BVMed. /Schwencke

Berlin – Jeden Tag erleiden in Deutschland rund 200 Menschen einen Herzstillstand. Auch der Bundestag bleibt von solchen Vorfällen nicht verschont. Erst in der vergangenen Sitzungswoche habe es einen Kollegen unvermittelt getroffen, berichtete die Vizepräsidentin des Bundestages Katrin Göring-Eckardt (Grüne) heute im Rahmen des Aktionstags Wiederbelebung.

Abgeordnete und Mitarbeitende des Bundestages waren dazu aufgerufen, an einem Reanimationstraining teilzunehmen und theoretische sowie praktische Grundlagen der Wiederbelebung kennenzulernen oder aufzufrischen. Vor Ort konnten Laien-Defibrillatoren und Wiederbelebungspuppen ausprobiert werden.

„Mit dem Aktionstag wird ein wichtiges Zeichen gesetzt“, sagte der Gesundheitspolitische Sprecher der Grü­nen, Janosch Dahmen (Grüne), der den Aktionstag gemeinsam mit Göring-Eckardt und der Mitarbeitenden­kommission des Bundestages initiiert hatte. „Er ist vor allem wichtig für all diejenigen, denen heute nochmal gezeigt wird, wie die Herzdruckmassage funktioniert und wie man einen Laien-Defibrillator einsetzt, wenn es darauf ankommt“.

Laienreanimationsquote zu niedrig

Mit knapp 50 Prozent liege die Laienreanimationsquote in Deutschland weit unter den Vergleichswerten aus europäischen Nachbarländern, so Dahmen. „Deutschland hat noch viel aufzuholen, die Nachbarländer sind uns teilweise um Jahrzehnte voraus“, machte er auf den Missstand aufmerksam.

Am Arbeitsplatz und in den Schulen werde dort regelmäßig trainiert, wie man eine Wiederbelebung durch­führe und wie man sich bei einer Ersthelferapp registrieren könne. Dahmen berichtete, dass er bereits im „hartnäckigen Briefwechsel“ mit den Ländern stehe und gemeinsam mit den Verbänden Überzeugungsarbeit leiste, damit regelmäßige Erste-Hilfe-Trainings auch in deutschen Schulen verpflichtend werden.

„Jedes Jahr könnten durch zügige Laien-Widerbelebungsmaßnahmen 10.000 Menschen mit einem außerklini­schen Herz-Kreislauf-Stillstand gerettet werden“, machte Dahmen deutlich. Um die Rettungskette effizient zu gestalten und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Betroffenen zu erhöhen, müssten die Glieder der Rettungskette noch besser ineinandergreifen. Regelmäßige Wiederbelebungstrainings in Schulen, aber auch in den Betrieben seien dafür maßgeblich.

Dahmen betonte, dass er bereits auf Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zugegangen sei und ihn auf die Notwendigkeit regelmäßiger Reanimationstrainings in Betrieben aufmerksam gemacht habe. „Hierfür müssen wir noch eine bundesgesetzliche Regelung finden“, sagte er.

„All das sind ganz wichtige Mosaiksteine, die im Zweifelsfall einen Unterschied machen“, sagte Dahmen, der selbst Notfallmediziner ist. Die beste Notfallmedizin könne im Zweifel nichts mehr ausrichten, wenn man zu spät zum Patienten komme und dem Patienten in der Zwischenzeit nicht geholfen worden sei.

Für jeden machbar

Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen machte darauf aufmerksam, dass die Wiederbelebung für jeden machbar sei und keine großen Kenntnisse erforderlich seien. „Aber wir brauchen in Deutschland eine ganz andere Kultur und Selbstverständlichkeit für die Reanimation“, machte er deutlich.

„Es sind sehr viele Menschen, die wir in Deutschland retten könnten und ich finde, der Bundestag sollte darin ein Vorbild sein“, sagte Göring-Eckardt mit Verweis auf das innerbetriebliche Erste-Hilfe-Training. Der Aktions­tag sei eine wichtige Initiative, die regelmäßig im Bundestag stattfinden sollte.

Im Rahmen der Notfallversorgungsreform setzt Dahmen sich dafür ein, dass in Deutschland eine flächende­ckende telefonangeleitete Reanimation in den Leitstellen eingeführt wird. Dies sei bislang noch nicht in allen Teilen der Fall. „Ein Teil der Reform sollte auch der Einsatz von Ersthelferapps sein“, forderte der Notfallmedi­ziner. Über Rettungsleitstellen könnten registrierte Ersthelfende dann zu einem Herz-Kreislaufstillstand in ihrer Nähe alarmiert werden.

Im Rahmen der Medizinproduktebetreiberverordnung setzt sich Dahmen außerdem dafür ein, dass Laien-Defibrillatoren in größerem Maße zur Verfügung stehen. Um die Funktionsfähigkeit der Geräte sicherzustellen und Möglichkeiten für Leitstellen und Ersthelfer-Alarmierungs-Apps zu integrieren, sollen die Defibrillatoren an technische Neuerungen angepasst werden. „Das sind alles wichtige Bausteine“, so Dahmen.

Hinweis auf Aktionsplan

Bei der Veranstaltung wurde auch auf den Aktionsplan Wiederbelebung des Deutschen Rats für Wiederbele­bung (GRC) und des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed) aufmerksam gemacht. Darin sind konkrete Maßnahmen festgehalten, die die Laien-Reanimationsquote in Deutschland steigern sollen.

Der Bundesregierung werden darin unter anderem strukturierte Bildungsangebote zur Wiederbelebung für alle Altersgruppen sowie eine breite Anwendung von Telefonreanimation (T-CPR) und Ersthelfersystemen vor­geschlagen. Außerdem soll die Verfügbarkeit und Auffindbarkeit von automatisierten externen Defibrillatoren (AED) an öffentlich zugänglichen, stark frequentierten Plätzen und Orten mit langer Verweildauer verbessert werden.

Unterstützt wird der Aktionsplan vom Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), der Bundesarbeitsgemein­schaft Erste Hilfe (BAGEH) und der Deutschen Herzstiftung.

Der Aktionstag Wiederbelebung stieß im Bundestag auf große Resonanz. Rund 200 Abgeordnete und Mitar­beitende des Bundestages hatten sich im Vorfeld angemeldet, einige stießen nachträglich hinzu. „Der Aktion­stag ist mehr als notwendig“, sagte Ingo Schäfer, Abgeordneter der SPD im Bundestag.

„Es sollte für Bürgerinnen und Bürger verpflichtend sein, sich über eine Reanimation zu informieren“, sagte er im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. „Als langjähriger Berufsfeuerwehrmann und über 20 Jahren im Rettungsdienst weiß ich, dass im Notfall jede Sekunde zählt“. Es könne gar nicht genug Ersthelfer geben. „Man kann auch nur eines verkehrt machen: nämlich indem man gar nichts macht“, sagte er.

„Ich bin heute hier, um zu lernen, wie man jemanden im absoluten Worst-Case wiederbelebt“, sagte Annelie Till, Mitarbeiterin in der Bundestagsverwaltung. „Mein letzter Erste-Hilfe-Kurs ist schon ziemlich lange her. Ich habe zwischendurch darüber nachgedacht, aber nie die Zeit gefunden. Jetzt wird der Kurs hier angeboten und das ist eine super Sache“, zeigte sie sich von der Aktion überzeugt.

Auch Fabian Hemker, Mitarbeiter im Bundestag, hatte sich schon längere Zeit vorgenommen, einen Wiederbe­lebungskurs zu besuchen. „Jetzt wird er hier im Bundestag angeboten und ich habe mich angemeldet. Ich fän­de es gut, die Kurse verpflichtend einzuführen, nicht nur in den Schulen, sondern für alle. Erste Hilfe muss in die breite Masse getragen werden“, sagte Hemker.

„Ich finde es toll, wenn man Menschenleben retten kann“, nannte Brigitte Feuerer, ebenfalls Mitarbeiterin im Bundestag, ihre Beweggründe für die Teilnahme. „Ich hätte Angst, in eine solche Situation zu kommen und nicht zu wissen, was dann zu tun ist“.

„Der Herzkreislaufstillstand ist die dritthäufigste Todesursache – das Potenzial, dort Gutes zu tun und zu hel­fen, ist riesengroß“, sagte Florian Koroska, Facharzt für Anästhesiologie, Anästhesiologische Intensivmedizin und Notfallmedizin und Leiter eines Wiederbelebungskurses, zu seinen Teilnehmern. „Die Bevölkerung muss erkennen, dass hier etwas geschehen muss. Tragen Sie Ihr Wissen zur Wiederbelebung in Ihr Umfeld“, nannte er eine klare Botschaft.

Organisiert wurden die Wiederbelebungskurse vom Deutschen Wiederbelebungsrat (GRC) und dem Bundes­verband Medizintechnologie (BVMed).

nfs

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