Landarztmangel: Montgomery schlägt Rotations-Praxen vor
Berlin – Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, hat mehr Kreativität gefordert, um Lücken bei der medizinischen Versorgung auf dem Land zu schließen. „Wir brauchen Rotations-Praxen in kleineren Orten“, sagte er heute der Bild. Dort sollten unterschiedliche Fachärzte je einmal pro Woche praktizieren. „Wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen solche Praxen einrichten können, finden sie auch Ärzte“, betonte der BÄK-Präsident.
Gesundheits-Apps oder Onlinesprechstunden hält Montgomery dagegen derzeit für wenig geeignet, Versorgungslücken zu schließen. „Es fehlt ein Gütesiegel, das Datensicherheit und Datenverlässlichkeit von Gesundheit-Apps garantiert. Solche Apps müssten genauso zugelassen und zertifiziert werden wie andere Medizinprodukte auch“, sagte er. Auch Onlinesprechstunden könnten den Arztbesuch nicht komplett ersetzen. Allerdings könnten diese helfen, um aus der Distanz zu erkennen, wann ein Arztbesuch dringend angezeigt sei. Möglich sei es auch, den Behandlungsverlauf besser zu verfolgen.
Deutliche Worte findet der BÄK-Präsident beim Thema Gewalt gegen Helfer. Von Justizminister Heiko Maas (SPD) forderte Montgomery, das Gesetz zum Schutz von Polizisten und Rettungssanitätern gegen Gewalt auf Ärzte auszuweiten. „Gewalt gegen Ärzte muss stärker bestraft werden als heute“, erklärte er. Die vom Bundestag in der vergangenen Woche verabschiedete Reform sieht lediglich höhere Strafen für Angriffe auf Rettungskräfte, Feuerwehrleute und Polizisten vor. Unter dem Begriff der Rettungskräfte sind nach Angaben des Bundesjustizministeriums Sanitäter und Notärzte privater und öffentlicher Rettungsdienste zusammengefasst. Nicht berücksichtigt wurde im Gesetzgebungsverfahren die Forderung nach einem höheren Schutz für alle Ärzte und Angehörige von Gesundheitsberufen.
Hohe Arbeitsüberlastung ein Grund
Neun von zehn Hausärzten sind Montgomery zufolge bereits Opfer von aggressivem Verhalten ihrer Patienten geworden. Eine Ursache für die zunehmende Zahl von Berichten von Ärzten über aggressives Verhalten von Patienten in Praxen, Kliniken und Notfallambulanzen „ist die absolute Arbeitsüberlastung, vor allem auch in den Notaufnahmen“, sagte Montgomery auf Nachfrage. „Hinzu kommt, dass gerade hier nach Dringlichkeit behandelt werden muss. Da kann es nicht darum gehen, wer als erstes behandelt werden will, sondern wer als erstes behandelt werden muss.“ Zudem nehme die Zahl der Behandlungsfälle ambulant und stationär stetig zu.
Kritik übte Montgomery in der Bild an einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Sterbehilfe. Er warf den Richtern vor, den Willen des Gesetzgebers und Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu unterlaufen. „Die jüngste Entscheidung, dass Schwerkranken in ,extremen Leidenssituationen’ beim Sterben geholfen werden darf, widerspricht dem Willen des Parlaments und reduziert die Entscheidung über Leben und Tod auf einen reinen Verwaltungsakt“, sagte er. Dass Beamte des Bundesinstituts für Arzneimittel darüber entscheiden sollen, ob ein todbringendes Medikament abgegeben werden solle, wie die Richiter geurteilt hatten, sei „absurd“. „Die deutsche Ärzteschaft wird das nicht hinnehmen. Und hoffentlich auch nicht der Bundestag“, erklärte der BÄK-Präsident.
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