Politik

Lauterbach dringt auf breiten Start für elektronische Rezepte

  • Freitag, 26. August 2022
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, zeigt bei der Vorstellung ein fiktives Demo-E-Rezept. Gesundheitsminister Lauterbach informierte sich hier zum E-Rezept./picture alliance, Kay Nietfeld
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, zeigt bei der Vorstellung ein fiktives Demo-E-Rezept. Gesundheitsminister Lauterbach informierte sich hier zum E-Rezept./picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dringt auf einen breiter angelegten Start für elektro­ni­sche Rezepte und will dafür auch noch einfachere Wege eröffnen. „Wir müssen das jetzt schnell ausrollen“, sagte der SPD-Politiker heute in Berlin.

Er sprach sich dafür aus, dass digitale Rezeptcodes außer über eine spezielle App für Smart­phones auch per E-Mail oder SMS übermittelt werden können. Dazu sei man unter anderem zu Datenschutzfragen im Ge­spräch, um eine Lösung zu finden.

Lauterbach informierte sich heute in einer Berliner Arztpraxis über den Einsatz der digitalen Anwendung für Rezepte. Nach einer Testphase soll eine schrittweise Einführung des E-Rezepts in Praxen und Kliniken in der Region Westfalen-Lippe und bei Zahnärzten in Schleswig-Holstein anlaufen.

Für Arzt- und Psychotherapiepraxen im Norden hatte die Kassenärztliche Vereinigung einen Rückzug erklärt – weil eine Über­mittlung per E-Mail und SMS dort untersagt worden sei. Ab Donnerstag sollen auch Apotheken bundesweit E-Rezepte annehmen, nach Verbandsangaben meldeten sich zuletzt rund 10.000 der 18.000 Apo­theken start­klar.

Der Chef der mehrheitlich bundeseigenen Gematik, Markus Leyck Dieken, erläuterte, dass in den beiden Mo­dellregionen nun strukturiert Beobachtungen zur Einführung gemacht werden sollen. Es sei aber schon jetzt jeder Behandler in Deutschland mit entsprechender Software eingeladen, Erfahrungen zu sammeln. Bald wür­den E-Rezepte, die in 18 europäischen Ländern längst etabliert seien, dann auch ganz normal als täglicher Service empfunden.

Beim E-Rezept bekommen Patienten statt des gewohnten rosa Zettels einen Code aufs Smart­phone, um Medi­kamente in Apotheken abzuholen. Wer kein Smartphone hat, bekommt den Code vorerst auch ausgedruckt auf Papier. Ab 2023 sollen E-Rezepte zudem mit der elektronischen Gesundheitskarte eingelöst werden können. Ein bundesweiter Start für die E-Rezepte war ursprünglich schon zum Januar dieses Jahres vorgesehen.

Aus der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hieß es, die Niedergelassenen stünden der Digitalisierung grundsätzlich offen gegenüber. Diese müsse aber funktionieren und den Praxen die Arbeit erleichtern. „Das gilt auch für das eRezept. Und da zeigt sich: Von einem reibungs­losen Funktionieren sind wir noch meilenweit entfernt“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen.

Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Stephan Hofmeister und Thomas Kriedel verwies er auf aktuelle Ergebnisse einer Online-Umfrage der KBV im August bei rund 4.000 Praxen. Dabei ging es um die Erfah­run­gen mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), aber auch mit dem E-Rezept, das ab September stufenweise im Praxisbetrieb getestet und ausgerollt werden soll.

Knapp zehn Prozent der Arztpraxen, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, konnten bereits erste Erfah­rungen mit dem E-Rezept sammeln. Größter Kritikpunkt: Die Ausstellung inklusive elektronischer Signatur dauert zu lange.

„Auch wird der Ausdruck mit dem Rezeptcode, der für Patienten ohne Rezept-App erforderlich ist, sehr kritisch gesehen“, sagte Hofmeister. Viele Ärzte hinterfragten den Sinn einer Digita­lisierung, die mehr Papier produ­ziert als vorher.

„Darin spiegeln sich die grundsätzlichen Akzeptanzprobleme wider, dass die digitalen Lösungen wie das E-Rezept eben nicht rein digital, sondern immer noch mit Papierausdrucken verbunden sind“, erläuterte er. „Zu­dem werden die Arbeitsabläufe in den Praxen nicht erleichtert, sondern sie nehmen deutlich mehr Zeit als vorher in Anspruch“.

Zu den am häufigsten genannten Problemen zählen darüber hinaus das Einlösen in der Apo­theke und die fehlende Akzeptanz unter den Patienten. Besonders ältere Menschen verstünden die Änderung nicht. Aktuell muss das E-Rezept in der Regel ausgedruckt werden, da die wenigs­ten Versicherten über die für die Nutzung der App erforderliche NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte verfügen.

Ab wann es möglich sein wird, dass Versicherte das eRezept nur mit ihrer alten, vorhandenen elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in der Apotheke einlösen können, ist derzeit noch offen.

„Wir müssen die bisher erst ab 2023 von der Gematik und den Apothekenverwaltungssystemen (AVS) vorge­sehene Lösung, dass E-Rezepte auch direkt über die eGK in der Apotheke eingelöst werden können, unbedingt vorziehen“, forderte KBV-Vorstandsmitglied Kriedel.

Diese Option müssen Gematik und AVS nun so schnell wie möglich umsetzen. „Die Probleme müssen endlich gelöst werden. Es darf nicht länger weggeschaut und so getan werden, als liefe alles wunderbar“, ergänzte er.

Für Gassen muss auch die Frage geklärt werden, wie ein angemessener Datenschutz realisierbar ist. So habe die Landesdatenschützerin in Schleswig-Holstein eine mailbasierte Umsetzung des E-Rezeptes untersagt und damit einen für den Patienten maßgeschneiderte Transportweg unmöglich gemacht. Damit sinke die Akzep­tanz digitaler Anwendungen nicht nur bei Ärzten, sondern Patienten.

Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sagte der Rheinischen Post: „Es ist beim besten Willen nicht nachvollziehbar, warum etwas, das in anderen europäischen Ländern seit Jahren problemlos und datenschutzkonform funktioniert, in Deutschland anscheinend ein Ding der Unmöglichkeit ist.“

dpa/EB

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