Politik

Linke fordert gleiche Abrechnungs­beträge für privat und gesetzlich Versicherte

  • Montag, 18. März 2024
Die Parteivorsitzende von Die Linke, Jannine Wissler und der Sozialmediziner Gerhard Trabert. /picture alliance, SZ Photo, Mike Schmidt
Die Parteivorsitzende von Die Linke, Jannine Wissler und der Sozialmediziner Gerhard Trabert. /picture alliance, SZ Photo, Mike Schmidt

Berlin – Die Linke will die Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten beenden. Das erklärte Parteichefin Janine Wissler heute in Berlin. In einem vorgestellten „Plan zur Abschaffung der Zweiklassenmedizin“ fordert die Partei unter anderem, dass Ärztinnen und Ärzte für Privatpatienten nicht mehr abrechnen dürfen sollen als für gesetzlich Versicherte.

„Wer arm ist, stirbt früher. Soziale Ungleichheit tötet Menschen, man muss es leider so drastisch sagen“, so Wissler heute in Berlin. Je niedriger der soziale Status ist, desto geringer sei nachweisbar auch die Lebenserwartung. „Das ist eine Schande in einer der reichsten Industrienationen der Welt.“

Die Linke wolle weit über das hinaus, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch im Wahlkampf forderte, seitdem aber hinter sich gelassen habe: So halte er trotz gegenteiliger Versprechen mit seiner Krankenhausstrukturreform am Fallpauschalensystem und der Profitlogik im Gesundheitswesen fest.

Der jüngst von Lauterbach vorgelegte Gesetzentwurf sei vollkommen unzureichend. Das Fallpauschalensystem müsse nicht abgeschwächt, sondern komplett abgeschafft und durch eine bedarfsorientierte Vergütung ersetzt werden.

Auch von der Bürgerversicherung – lange Jahre eine der zentralen Forderungen Lauterbachs – rede er nicht mehr, seit er im Amt ist. „Ob bei der Terminvergabe oder im Wartezimmer: Gesetzlich Versicherte sind in Deutschland Patienten zweiter Klasse“, betonte Wissler.

Ihre Partei fordere deshalb eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle Versicherten gleichermaßen einzahlen. In einem ersten Schritt müsse zudem die Beitragsbemessungsgrenze erheblich angehoben, später dann ganz abgeschafft werden, damit sich auch Spitzeneinkommen angemessen an der Finanzierung des Gesundheitswesens beteiligen. Bei der Höhe des aktuellen Beitragssatzes würden dann sogar Überschüsse erwirtschaftet.

„Dem Gesundheitswesen mangelt es insgesamt nicht am Geld“, sagte sie. Vielmehr würden durch Privatisierung und der Erwirtschaftung von Renditen öffentliche Gelder in private Taschen umverteilt.

Allein große Krankenhauskonzerne würden dreistellige Millionen, wenn nicht gar Milliardenbeträge dem Solidarsystem entziehen. Deshalb fordere die Partei ein Gewinnausschüttungsverbot für Krankenhäuser und mittelfristig eine Überführung der Häuser in die öffentliche Hand.

Auf Grundlage der geforderten Finanzierungsweise sei eine Gesundheits- und Pflegeversicherung möglich, die nicht nur alle Menschen eine gleich gute Versorgung zukommen lässt, sondern auch ohne Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen auskommt.

Krankheit sei mittlerweile der dritthäufigste Grund für eine private Verschuldung, erklärte auch Gerhard Trabert, der auf Platz vier der Europawahlliste der Partei kandidiert. Ziel sei es, die Zweiklassenmedizin in der ganzen EU abzuschaffen.

„Europaweit ist die Gesundheitsversorgung nicht gut verankert“, kritisierte Trabert. Die Linke fordere deshalb in EU-Ländern, in denen nur bestimmte Gruppen der Gesellschaft gesetzlich kranken- und pflegeversichert sind, eine Ausweitung auf alle Erwerbstätigen, explizit auch auf Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht arbeiten dürfen oder können.

Zudem müsse der Abwanderung von Ärzten aus wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten Einhalt geboten werden, da sie die Versorgungslage in deren Heimatländern noch weiter verschlechtere. „Da muss es eine solidarische Absprache unter den Mitgliedsstaaten geben“, forderte Trabert.

Um eine Rückführung privatisierter Krankenhäuser in die öffentliche Hand auch auf EU-Ebene zu finanzieren, müsse ein europäischer Rekommunalisierungsfonds eingerichtet werden. Zudem müsse europaweit Barrierefreiheit im Gesundheitswesen durchgesetzt werden.

Darüber hinaus sieht der vorgestellte Plan eine Abschaffung von Eigenanteilen und der Rezeptgebühr vor. Die bisherigen Härtefallregelungen würden einkommensschwächere Menschen nur unzureichend vor unzumutbaren Belastungen schützen.

Auch Menschen ohne Krankenversicherung müsse ein Zugang zum Gesundheitssystem garantiert werden. Offiziell gebe es rund 60.000 Menschen in Deutschland, die nicht krankenversichert sind. Weil dabei allerlei Gruppen herausgerechnet werden, liege die tatsächliche Zahl aber eher bei mindestens 500.000, betonte Trabert.

So würden beispielsweise EU-Bürger, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, schnell aus dem Sozialversicherungssystem fallen, wenn sie keine Stelle finden. „Die Freizügigkeit muss einhergehen mit einer sozialen Absicherung“, forderte er.

Generell müsse die Gesundheitsversorgung in wirtschaftlich armen Stadtteilen verbessert werden. Es könne nicht sein, dass in reichen Vierteln ein Kinderarzt auf 300 Patienten kommt, das Verhältnis in armen Vierteln hingegen teilweise bei eins zu 10.000. Das sei eine direkte Folge der Zweiklassenmedizin, die dazu führe, dass sich Ärzte bevorzugt in Gegenden mit einem hohen Anteil an Privatpatienten ansiedeln.

Ein gemischtes Fazit zog Trabert bei den von Lauterbach geplanten Gesundheitskiosken. „Prinzipiell wäre das gar nicht so schlecht, wenn es nicht die Zweiklassenmedizin zementieren würde“, sagte er. Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass die Gesundheitskioske auch in wirtschaftlich ärmeren Stadtteilen eine Ergänzung sind, statt die fehlende ärztliche Versorgung zu ersetzen.

lau

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