Lungenexperte mahnt: Zahl der Kranken durch schlechte Stadtluft steigt

Berlin – Mit dem Rauchen kann man aufhören. Atmen muss man. Und wenn mit jedem Atemzug ultrafeine Staubpartikel oder Schadstoffteilchen in die Lunge dringen, sind Tausende Menschen bedroht. Ein Experte mahnt, dass die Zahl schwerer Lungen- und Herzerkrankungen durch die schlechte Luft in den Städten immer weiter steigen wird. Bedroht von Feinstaub und Stickoxiden aus Autoabgasen seien vor allem Anwohner stark belasteter Straßen, die ohnehin schon Gesundheitsprobleme haben.
„Die Schadstoffe lösen in erste Linie eine Entzündung aus – und verstärken bereits bestehende Erkrankungen der Lunge oder des Herz-Kreislauf-Systems“, erklärte Christian Witt, Leiter des Arbeitsbereichs Ambulante Pneumologie der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité Berlin. 340.000 Deutsche lebten an belasteten Straßen, mehrere Studien gingen von rund 73.000 vorzeitigen Todesfällen durch Luftverschmutzung aus. Europaweit seien es eine halbe Million – Kinder, Ältere, Kranke.
Allein schon dadurch, dass die Menschen weiter in die Städte ziehen, und dass sie heute vergleichsweise alt werden, seien immer mehr Städter von den Schadstoffen bedroht. „Wir haben immer mehr kranke Alte und ganz viele in der Stadt“, sagte Witt. „Der Anteil derer, denen das alles schadet, wird größer.“ Ob Feinstaub und Stickoxide auch Gesunde krank machen können, sei noch nicht geklärt.
Die grün-schwarze Landesregierung hatte am Dienstag angekündigt, ab 2018 Fahrverbote für viele Dieselautos anzuordnen, wenn die Luftwerte in Stuttgart nicht besser werden. Anlass waren Gerichtsentscheidungen verschiedener deutscher Gerichte, Strafzahlungen an die EU drohen.
„Je kleiner die Partikel sind, umso tiefer können sie in die Lunge eindringen“, erklärte Witt. Die ganz kleinen Teilchen könnten auch im Blut auftauchen, was zu Gefäßverengung führen könne. Nicht nur Asthma, sondern auch Allergien könnten so verstärkt werden. „In verschiedenen Studien gibt es auch Signale für mehr Lungenkrebs“, berichtete der Experte.
„Es sind nicht mehr vor allem die alten Raucher, die wir als Lungenkrebspatienten haben.“ Die Luftverschmutzung sei der weltweit viertgrößte Risikofaktor, gleich nach dem Rauchen. Tendenz: steigend. Hinzu komme der Klimawandel. „In den Städten wird es heißer und trockener, damit steigt die Belastung, und wir werden mehr Leute mit Symptomen haben.“
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