Wie Feinstaub die Entwicklung einer Lungenentzündung fördert

Leicester – Feinstaub stört die natürliche Kolonienbildung von Streptokokken und Staphylokokken, was in einer Studie in Environmental Microbiology (2017; doi: 10.1111/1462-2920.13686) die Ausbreitung von Pneumokokken in die unteren Atemwege förderte.
Feinstaub und andere Luftschadstoffe werden in epidemiologischen Studien immer wieder mit einer erhöhten Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen in Verbindung gebracht. Der Pathomechanismus ist bisher nicht bekannt. Die meisten Experten vermuten, dass die Schadstoffe das Gewebe direkt schädigen, Entzündungen hervorrufen oder den „oxidativen Stress“ erhöhen. Ein Team um Julie Morrissey von der Universität in Leicester in England ist einer anderen Vermutung nachgegangen.
Die Forscher haben zunächst in-vitro den Einfluss von Feinstaub auf die Bildung von Bakterienkolonien untersucht. Streptokokken und Staphylokokken entwickeln auf glatten Oberflächen einen dichten Bakterienrasen, dessen Oberfläche glatt ist. Dieser „Biofilm“ schützt die Bakterien vor Angriffen, denen sie etwa beim Säubern von Oberflächen, aber auch beim Einsatz von Antibiotika ausgesetzt sind.
Wurden die Bakterienkulturen mit Feinstaub exponiert, kam es zu einer deutlichen Störung der Kolonisierung. Der „Biofilm“ wies deutliche Unregelmäßigkeiten auf. Dort, wo sich Feinstaub abgesetzt hatte, kam es zu regelrechten Löchern im Bakterienrasen. Dies könnte die Bakterien anfälliger gegenüber Angriffen machen. Tatsächlich war die Toleranz der Bakterien gegen einige Antibiotika vermindert. Es gab jedoch auch Bakterien, die unter der Einwirkung von Feinstaub unempfindlicher auf Antibiotika reagierten.
Entscheidend für den Einfluss auf Atemwegsinfektionen könnte jedoch sein, dass sich aus einem gestörten Biofilm leichter Bakterien lösen. Dies könnte bei der Pathogenese von bakteriellen Pneumonien eine Rolle spielen. Die Erkrankungen beginnen häufig mit einer Infektion der oberen Atemwege. Bei einigen Menschen werden die Infektionen auch durch Bakterien verursacht, die dauerhaft die oberen Atemwege besiedeln, wo sie feste Kolonien bilden. Wenn Feinstaub den Zusammenhalt der Kolonien beschädigt, könnte dies die Streuung in die unteren Atemwege fördern.
Genau dies zeigen weitere Experimente, in denen die Forscher Streptococcus pneumoniae mit oder ohne Feinstaub auf die Nasenschleimhaut von Mäusen auftrugen. Spätere Bronchiallavagen zeigten, dass die Pneumokokken nur bei den Mäusen, die auch mit Feinstaub exponiert waren, den Weg in die unteren Atemwege gefunden hatten. Es kam zwar nicht zu einer Lungenentzündung oder gar zu einer Sepsis. Die Studie könnte jedoch plausibel erklären, warum eine Luftverschmutzung die Entwicklung von schweren Atemwegsinfektionen fördert.
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