Mangel an Substitutionsärzten: Experten sorgen sich
Karlsruhe – Die Versorgung von Drogenabhängigen in Baden-Württemberg mit Ersatzstoffen wie Methadon ist nach Einschätzung von Experten in Gefahr. „Wir sind akut in Not und eine Lösung ist nicht in Sicht“, warnte die Drogenbeauftragte der Stadt Karlsruhe, Cordula Sailer. Es fehle an Ärzten, die die Versorgung der Süchtigen mit Methadon oder Diamorphin übernehmen wollten. „Nachwuchs fehlt“, sagte auch Frank Matschinski, der in Ravensburg eine Schwerpunktpraxis führt und sich um rund 180 Schwerstabhängige kümmert. Er sei mit seinen 55 Jahren ein „Junior“ unter den Ärzten. Fast alle anderen steuerten auf die Rente zu.
Den Mangel an Substitutionsärzten begründen die Experten unter anderem mit hohen juristischen Hürden. „Sie müssen nur ein Rezept falsch ausfüllen und schon ist ein Bußgeld fällig“, sagte Matschinski. Die Suchtmediziner haben eine besondere Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg (KVBW), die ihnen die Versorgung der rund 9.500 Drogenpatienten im Land erlaubt. Landesweit gibt es rund 300 Substitutionsärzte.
Auch Hausärzte können solche Patienten versorgen, allerdings nur bis zu drei pro Quartal und mit Beratung durch einen Substitutionsarzt. Jüngere Kollegen hätten meist aber wenig Interesse daran, Drogenpatienten neben den „normalen“ Patienten zu betreuen. Viele Suchpatienten seien nicht mehr „praxisfähig“, erklärte eine Sprecherin des Arbeiterwohlfahrtsverbands AWO in Karlsruhe, wo rund 100 Süchtige mit Methadon oder Diamorphin versorgt werden. Das schrecke so manchen Hausarzt ab.
Die Ärztin Gerda Sibler, die in Karlsruhe Süchtige betreut, fordert, jeder Hausarzt solle diese Patienten in seiner Praxis behandeln können wie andere Kranke, die Hilfe suchten. Nach Sailers Erfahrung wollen aber viele Ärzte Drogensüchtige gar nicht in ihrer Praxis haben. Die Sucht stehe immer noch in der Schmuddelecke.
Das Sozialministerium in Baden-Württemberg nennt die engen bundesrechtlichen Vorgaben als einen Hauptgrund für die schwierige Versorgungslage. Zur Abhilfe schlägt es etwa alternative Abgabestellen vor: Suchtkranke sollen den Ersatzstoff demnach auch in Altenpflegeeinrichtungen oder bei ambulanten Pflegediensten beziehen können. Damit könnten auch die Bedürfnisse der immer älter werdenden Patienten berücksichtigt werden. Dies sei auch Gegenstand einer Bundesratsinitiative, die das Ministerium in der vergangenen Legislaturperiode gestartet habe.
„Wir brauchen eine Vereinfachung der formalen Hürden und eine Verringerung des Risikos für die Ärzte“, erklärte auch die KVBW. Außerdem sei die Honorierung der Behandlungen durch die Kassen nicht attraktiv genug.
„Wenn nichts passiert, werden alte Zeiten wieder auftauchen“, warnte Matschinski, der seit 1995 Drogenkranke versorgt und seit zwei Jahren in Ravensburg auch mit einem Wohnmobil zu seinen Patienten fährt. Es werde wieder mehr Verelendung und eine größere Drogenszene geben.
Eine Patientin aus Bruchsal erlebt gerade die Folgen von Praxisschließungen. Nachdem ihr Arzt im vergangenen Sommer seine Praxis geschlossen habe, habe sie versucht, ohne Substitution auszukommen. „Alles ist schlimmer geworden, als es je war“, sagte sie heute. Sie würde gerne ohne Methadon leben, aber es gehe nicht. Nun sei sie in Karlsruhe in Behandlung.
Der stärkere Andrang von Patienten in Karlsruhe führe bereits zu Problemen in bestimmten Teilen der Stadt, sagte Sailer. „Wir haben die Auswirkungen zu spüren bekommen. Wir wollen kein Szene, die sich hier bildet.“ In Bruchsal seien rund 160 von 200 Behandlungsplätzen verlorengegangen.
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