Marburger Bund warnt vor steigendem Fachkräftemangel nach der Coronapandemie

Berlin – Die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Susanne Johna, hat davor gewarnt, dass sich Ärztinnen und Ärzte nach der derzeitigen akuten Phase der Coronapandemie von der Patientenversorgung abwenden könnten, weil die Belastungen für sie zu hoch geworden sind.
„Leider ist die Situation in diesem Winter ganz anders als vor einem Jahr“, sagte Johna heute vor Journalisten in Berlin. „Damals war die Stimmung unserer Mitglieder durch Optimismus geprägt, denn die Infektionszahlen waren rückläufig und wir sahen die Impfkampagne schon vor uns: den Weg, der uns aus der Pandemie führen sollte.“ Damals sei noch nicht absehbar gewesen, dass so viele Bürger keine Impfung in Anspruch nehmen würden.
„Die damalige Zuversicht ist heute einer Resignation gewichen“, sagte Johna. „Wir sehen die Frustration bei unseren Mitgliedern, wie aktuelle Umfragen aus den Landesverbänden Sachsen, Niedersachsen und Hamburg gezeigt haben.“
Viele Kollegen hätten ihre Überlastung in den Freitextfeldern beschrieben. „Viele von ihnen erfahren zurzeit auch keine Anerkennung der Krankenhausleitung für ihre Arbeit“, so Johna. „Als höchst ungerecht empfinden unsere Mitglieder zudem, dass sie bei den Überlegungen, eine Coronaprämie an die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen auszuschütten, bislang nicht berücksichtigt werden sollen.“
Gerade auf den Intensivstationen sei die Situation vielfach untragbar. „Die Krankmeldungen nehmen zu“, sagte Johna. „Und die Belastungen hinterlassen Spuren. Mancher wird nach der Pandemie vielleicht die Patientenversorgung verlassen. Das ist das, was wir am wenigsten wollen.“
Aktive Krankenhausplanung beginnen
Johna rief vor diesem Hintergrund die Ampelkoalition auf, der Daseinsvorsorge in den Krankenhäusern wieder Geltung zu verschaffen. „Krankenhäuser müssen auch in der Pandemie in der Lage sein, unvorhersehbare und dringende Fälle wie zum Beispiel Unfallopfer und Menschen mit akutem Herzinfarkt oder Schlaganfall sofort versorgen zu können“, forderte sie.
Anstatt den derzeitigen ruinösen Kosten- und Verdrängungswettbewerb fortzusetzen, brauche es eine aktive Krankenhausplanung unter Beteiligung der angestellten Ärztinnen und Ärzte. „Mit ein paar Korrekturen an dem derzeitigen Finanzierungssystem ist es nicht getan“, betonte Johna. „Wir brauchen einen Systemwechsel im Krankenhauswesen.“
Fortschritt könne es dabei nur geben, wenn ausreichend Personal für die Patientenversorgung zur Verfügung stehe. Die Kliniken müssten umdenken und mehr Personalentwicklung betreiben.
Personalkonzepte, die bewusst „auf Kante genäht“ seien, scheiterten spätestens in Phasen starken Patientenaufkommens. „Die ständig wiederkehrende Überlastung und Demotivation des knappen ärztlichen und pflegerischen Personals sind absolut fahrlässig und verschärfen den ohnehin schon überall zu spürenden Fachkräftemangel in der Patientenversorgung. Wenn die neue Regierung hier nicht aktiv gegensteuert, ist die nächste Versorgungskrise programmiert“, mahnte Johna.
Aufklärungskampagne voranbringen
In der aktuellen vierten Pandemiewelle sei es wichtig, dass die Kontakte vor Weihnachten reduziert würden. Und es sei wichtig, dass die Politik das gesamte Instrumentarium möglicher Maßnahmen offenhalte, um im nächsten Jahr gegebenenfalls noch härtere Maßnahmen beschließen zu können.
„Wir sind der Überzeugung, dass wir dabei auch noch im nächsten Jahr Impfzentren und mobile Impfteams brauchen werden“, betonte Johna. „Denn wir werden angepasste Auffrischungsimpfungen durchführen müssen.“ Zudem erwartet die MB-Vorsitzende von der Ampelkoalition, die Aufklärungskampagne voranzubringen.
„Wir hätten nicht gedacht, dass es so schwer sein würde, eine gute Kampagne zu machen“, sagte Johna. „Es ist höchste Zeit für Spots vor den Hauptnachrichten, im Radio und in den sozialen Medien, die unter anderem die Sorge mancher junger Frauen aufgreift, nach einer Impfung unfruchtbar zu werden.“
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