Politik

Medizinstudium: Run auf Landarztquote in Bayern

  • Donnerstag, 27. Februar 2020
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München – Die Zahl der Bewerbungen für die Landarztquote beim Medizinstu­dium in Bayern ist kurz vor Ende der Bewerbungsfrist deutlich gestiegen. Lagen bis Mitte Februar rund 60 Bewerbungen vor, verzehnfachte sich die Zahl in den folgenden anderthalb Wo­chen. Nach jüngsten Zahlen des Gesundheitsministeriums in München sind es inzwischen mehr als 640.

Bis zu 5,8 Prozent aller Medizinstudienplätze in Bayern sollen für Studenten reserviert werden, die später mindestens zehn Jahre lang als Hausarzt in einer Region arbeiten, die medizinisch unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht ist. Das sind jährlich rund 110 Plätze.

Das Auswahlverfahren ist geteilt: Zunächst geht es unter anderem um ei­nen fachspezifi­schen Eignungstest und eine Berufsausbildung im Gesundheitswesen. Im zweiten Schritt im Mai werden Auswahlgespräche mit den Bewerbern geführt. Die ausgewählten Kandi­da­ten sollen ihr Studium im Wintersemester an allen medizinischen Fakultäten in Bayern beginnen. Die Bewerbungsfrist endet am morgigen 28. Februar.

„Das Interesse an der neuen Landarztquote in Bayern ist erfreulich hoch“, sagte Gesund­heits­ministerin Melanie Huml (CSU). „Wir brauchen mehr junge Mediziner, die sich für den Beruf des Hausarztes begeistern und ihn auch dort ausüben wollen, wo sie besonders ge­braucht werden.“ Deshalb biete man auch jungen Menschen ohne Einserabitur die Mög­lichkeit eines Medizinstudiums.

Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler erklärte, die Landarztquote biete motivierten und qualifizierten jungen Menschen eine interessante berufliche Perspektive. Gleichzei­tig ermögliche man noch mehr jungen Menschen eine Ausbildung zum Arzt im Freistaat und gewinne Mediziner für den ländlichen Raum, so der CSU-Politiker. „Mit diesem Gesamt­paket ermöglichen wir ihnen, ihren Traumberuf zu ergreifen, und erhalten darüber hinaus die Lebensqualität in Bayern.“

Planung in vielen Bundesländern

Die Landarztquote hat nicht nur in Bayern, sondern auch anderen Bundesländern Einzug gehalten. In Nordrhein-Westfalen soll diese zum Wintersemester 2019/2020 eingeführt werden. Unter anderem Sachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen planen ebenfalls eine solche Regelung.

Bei der Landarztquote wird zumeist ein bestimmter Prozentsatz der Medizinstudienplätze in einem Bundesland für Bewerber reserviert, die sich verpflichten, nach dem Abschluss für eine bestimmte Zeit in einer Gegend mit Hausärztemangel zu praktizieren. Für diese Studenten gilt etwa der strenge Numerus clausus nicht. Hält sich der Berufseinsteiger später nicht an die Vereinbarung, drohen hohe Vertragsstrafen.

Laut Hochrechnungen gehen rund 60 Prozent der Hausärzte bis 2030 in den Ruhestand – in den Städten, aber eben auch auf dem Land. Die Suche nach einem Nachfolger ist oft schwierig. Dennoch wird die Landarztquote heftig diskutiert – und hat nicht nur Befür­worter.

Landarztquote hat auch Gegner

Der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft, Wieland Dietrich, sieht die Quote zum Beispiel kritisch. „Es ist die große Frage, wie viele Absolventen später wirklich in den Haus- und Landarztpraxen ankommen“, gab er zu Bedenken. Die jungen Leute müssten teils direkt nach dem Abitur eine Entscheidung treffen, wie sie in rund zwölf Jahren leben werden – denn so lange dauere das Medizinstudium plus Facharztausbildung zum Allgemeinmedi­ziner in der Regel.

Nach der Einschätzung von Dietrich, der in Essen als Hautarzt praktiziert, werden ange­hende Ärzte vor allem von der überbordenden Bürokratie und unzureichenden Honoraren für die Patientenbehandlung abgeschreckt. „Es gibt jede Menge Regulierungen, die vielen Ärzten den Spaß am Beruf nimmt“, sagte er. Das führe auch dazu, dass Kollegen früher in den Ruhestand gingen. „Viele Ärzte fühlen sich drangsaliert und bevormundet.“

Die Medizinstudieren im Hartmannbund halten die Landarztquote für unvereinbar mit der Freiheit der ärztlichen Berufsausübung. Sie berge die Gefahr, dass Ärzte ausgebildet wer­den, die sich nicht mit ihrer Tätigkeit identifizieren, heißt es in einem Positionspapier. „Zudem widerspricht die Vertragsstrafe der Bildungsgerechtigkeit“, argumentiert der Interessensverband.

Der Gesetzgeber könne nicht ausschließen, dass sich reiche Studierende über die Land­arztquote einen Studienplatz kauften, indem sie einkalkulierten, die Vertragsstrafe am En­de zu zahlen. „Diese Möglichkeit ist weniger wohlhabenden Studierenden nicht gege­ben.“

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) wehrt sich seit Jahren gegen Pläne von Landesregierungen, eine Landarztquote ein­zuführen, um mehr Hausärzte zu gewinnen.

Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) begrüßt hingegen alle Initiativen, die dem Ärztemangel ent­gegenwirken. „Die Landarztquote ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung und kann verbunden mit anderen Maßnahmen dazu beitragen, die Situation der hausärzt­lichen Versorgung langfristig zu stärken“, erklärte der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt.

Es sei besonders zu begrüßen, wenn – wie in NRW – die Auswahl der geeigneten Kandi­da­ten durch erfahrene Hausärzte erfolge. Das Interesse an den dortigen Medizinstudien­plätzen war ein Jahr nach der Einführung bereits sprunghaft gestiegen. Bei den Bewer­bun­gen zum Sommersemester 2020 kamen auf jeden der 25 noch verfügbaren Plätze 16 Anträge.

„Vorrangiges Ziel bleibt es, deutlich mehr Fachärzte für Allgemeinmedizin auszubilden“, erklärte Hausärzteverbandschef Weigeldt. Im Studium sollten „junge Menschen frühzeitig in Kontakt mit dem spannenden Hausarztberuf“ kommen. Der Hartmannbund plädiert da­für, bei Studierenden gezielt für Praktika auf dem Land zu werben, damit sie „die Vorteile des Landlebens“ kennenlernen können.

dpa/may

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