Mehr als 400.000 Dosen Paxlovid drohen zu verfallen

Berlin – Fast die Hälfte der vom Bund beschafften Dosen des COVID-19-Medikaments Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir) droht ungenutzt zu verfallen und vernichtet zu werden. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) prüft nach eigenen Angaben derzeit, ob es für sie eine weitere Verwendung gibt.
Anfang 2022 hatte das BMG insgesamt eine Million Therapieeinheiten Paxlovid zentral beschafft. 427.000 von ihnen sind nach wie vor eingelagert, wie das Ministerium auf Anfrage mitteilt. Ihre Haltbarkeit läuft demnach Ende Januar beziehungsweise Ende Februar ab. Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet.
560.000 Therapieeinheiten seien vom pharmazeutischen Großhandel an Apotheken ausgeliefert worden, weitere rund 12.500 seien gespendet worden. Was aus den Restbeständen wird, ist noch nicht klar. Der Ablaufzeitpunkt sei der „derzeitige Stand“, wie es das BMG formuliert. In der Vergangenheit war die Haltbarkeit bereits mehrfach verlängert worden, zuletzt auf 24 Monate.
Angaben zur Summe, die die Bundesregierung für den Erwerb des Arzneimittels ausgegeben hat, macht das BMG nicht. Einem Bericht der Tageszeitung Die Welt zufolge waren es zwischen 500 und 660 Millionen Euro, der Einkaufswert der verfallenden Dosen liege demnach bei mindestens 280 Millionen Euro.
Das Problem des Verfalls von Paxlovid-Beständen betrifft nicht Deutschland allein. Erst am vergangenen Montag hatte die britische Agentur Airfinity eine Analyse veröffentlicht, wonach in der Europäischen Union (EU) allein bis Ende November 1,5 Millionen Dosen Paxlovid ungenutzt verfallen sind.
Bis Ende Februar werde die Zahl auf 3,1 Millionen Dosen steigen, was einem Einkaufspreis von 2,2 Milliarden US-Dollar (2,01 Milliarden Euro) entspreche. Allerdings geht Airfinity in der Analyse noch von 644.000 verbleibenden Dosen hierzulande aus.
Noch weit vor Deutschland liegt demnach Großbritannien: Von insgesamt 2,5 Million gekauften Therapieeinheiten sind demnach noch 1,38 Millionen eingelagert, mehr als eine Million seien bereits verfallen. Nur geschätzt 69.000 Dosen seien verwendet worden. In Deutschland liege diese Zahl bei schätzungsweise 305.000.
Frankreich und Italien hatten 500.000 beziehungsweise 600.000 Dosen gekauft, von denen 96.000 beziehungsweise 86.000 bereits verfallen sind. Beide Ländern haben beinahe gleich viele Dosen verwendet (167.000 und 168.000), sodass in Frankreich Restbestände von 237.000 Dosen lagern und in Italien von 346.000 Dosen.
Die hohen Zahlen resultieren auch wesentlich aus der Tatsache, dass Paxlovid deutlich weniger verordnet wurde als zuvor angenommen worden war. Um die Verwendung zu steigern, hatte das BMG im August 2022 per Allgemeinverfügung Ärzten das Dispensierrecht für Paxlovid gewährt.
Die geringen Anwendungszahlen sind nicht nur in Deutschland und Europa ein Problem, sondern laut einem aktuellen Bericht der New York Times auch in den USA.
Demnach haben einer Studie der National Institutes of Health (NIH) zufolge nur 15 Prozent der COVID-19-Patientinnen und -Patienten, für die Paxlovid angezeigt war, das Mittel auch erhalten. Wären es 50 Prozent gewesen, hätten der Studie zufolge schätzungsweise 48.000 Todesfälle vermieden werden können.
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