Mehr Prävention und langfristige Finanzierung in der Pflege benötigt

Berlin – Um eine gute pflegerische Versorgung in Zukunft sicherzustellen, braucht es eine langfristige und nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung, mehr Prävention und Unterstützung von pflegenden Angehörigen. Das wurde gestern auf der neunten Berliner Pflegekonferenz diskutiert.
Aktuell gebe es rund 5,4 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland, sagte der Abteilungsleiter für Pflegeversicherung und -stärkung im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Martin Schölkopf. Das sei weitaus mehr als man vor zehn Jahren angenommen habe. Damit sei auch ein deutlicher Ausgabenanstieg in den vergangenen Jahren einhergegangen.
Das BMG rechnet zudem mit bis zu 7,5 Millionen Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren, so Schölkopf. Entsprechend brauche es effizientere Strukturen und attraktivere Arbeitsbedingungen in der Pflege, eine bessere Aufgabenverteilung zwischen Fach- und Hilfskräften als auch die Einbindung von weiteren Berufsgruppen in die Versorgung.
Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) habe der Gesetzgeber im Mai einige Leistungen und Anpassungen auf den Weg gebracht, um die kurzfristige Finanzierung der Pflegeversicherung sicherzustellen, erklärte Schölkopf. Damit steigt etwa zum Jahresbeginn 2024 das Pflegegeld um fünf Prozent an.
Zudem seien weitere Erhöhungen der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung vorgesehen. Allerdings brauche es darüber hinaus eine nachhaltige Finanzierung, die nach den Jahren 2025 und 2026 greifen werde. Daran arbeite das BMG derzeit mit Hochdruck, betonte Schölkopf.
Weiter erläuterte er, dass die Versorgung mehr akademisch ausgebildete Pflegekräfte benötige und die Frage der Kompetenzen der Pflegefachkräfte neu geregelt werden müsse. Ein weiterer Fokus liege auf der Gewinnung von Pflegefachkräften aus dem Ausland.
Das Thema Prävention sei in der Pflege noch zu wenig verankert, kritisierte Anne-Kathrin Klemm, Vorständin beim BKK Dachverband. „Wir sollten auf Potenziale vor dem Eintreten der Pflegebedürftigkeit aber auch währenddessen eingehen. Da können wir viel bewirken“, sagte sie.
Es müsse daher „radikal umgedacht“ werden, so Klemm. Mehr Prävention entlaste Angehörige und die Solidargemeinschaft und sichere Lebensqualität. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) gebe bislang aber deutlich wenig Geld für Prävention aus. Pro Jahr liege der Anteil an den Gesamtkosten bei 2,5 Prozent.
Konkret sieht Klemm vor allem Krankenkassen in der Pflicht, anhand von Gesundheitsdaten drohende Pflegebedürftigkeiten zu erkennen und individualisiert auf die Betroffenen zuzugehen und präventive Interventionen anzubieten.
Proaktiv auf die Patientinnen und Patienten zugehen dürften die Krankenkassen aktuell noch nicht, so Klemm. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz sei da aber „einiges auf dem Weg“. Sie plädierte zudem dafür, auch Ärztinnen und Ärzte stärker zu sensibilisieren, um früher zu erkennen, wenn die Gesundheit aus dem Lot gerate oder Pflegebedürftigkeit drohe.
Ziel sei es, die Zielgruppen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden zu halten und die Abhängigkeit von Hilfe so lange wie möglich zu vermeiden, betonte Klemm. Um diese Aspekte besser zu verankern, brauche es ein Präventionsstärkungsgesetz, forderte sie.
Für Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK Gesundheit, ist zudem die Stärkung der pflegenden Angehörigen wichtig. Diese Leistung werde bislang nicht ausreichend anerkannt, monierte er. „Mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt, die pflegenden Angehörigen werden aber nicht annähernd gewürdigt“, kritisierte er. Auch er pochte auf eine nachhaltige Finanzreform der Pflegeversicherung. Das PUEG gehe nicht weit genug und werde von den Betroffenen als völlig unzureichend empfunden, so Storm.
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