Missbrauchskommission fordert besseren Umgang der Justiz mit Opfern

Berlin – Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs will Missbrauchsopfern den Gang zur Justiz erleichtern. Bislang scheuten die meisten Opfer die Einschaltung von Polizei und Gerichten, weil sie fürchteten, „ihnen werde unsensibel begegnet und nicht geglaubt“, heißt es in einem Empfehlungskatalog, den die Kommission in Berlin vorstellte. Die Ermittlungs- und Strafverfahren müssten deshalb kindgerechter und sensibler für die Betroffenen ausgestaltet werden.
Die Kommission schlägt vor, Schwerpunktgerichte und -staatsanwaltschaften einzurichten, die über besondere Fachkompetenz im Umgang mit Opfern sexuellen Missbrauchs verfügen. Die gerichtlichen Verfahren müssten dann „vorrangig und ohne Verzögerung bearbeitet werden“, weil langwierige Gerichtsprozesse bei den Betroffenen zu „hoher psychischer Belastung“ führten.
Zudem forderte die Kommission eine bessere Aus- und Fortbildung des Personals. Um eine wirklich kindgerechte und betroffenensensible Ausgestaltung der Verfahren zu erreichen, sei eine systematische Professionalisierung der Staatsanwälte und Richter, die mit Jugendschutzverfahren befasst sind, durch verbesserte Aus- und Fortbildung unumgänglich, erklärte Kommissionsmitglied Brigitte Tilmann.
Der Kommission zufolge kommen nur etwa 20 Prozent der Fälle sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen zur Anzeige. In vertraulichen Gesprächen mit der Kommission hätten viele Opfer gesagt, dass sie Vorbehalte gegen den Gang zur Justiz hätten. Oft hätten sie angegeben, „dass sie den Eindruck haben, dass Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Einstellung des Verfahrens, eine milde Strafe oder sogar einen Freispruch hoffen könnten“, erklärte die Kommission.
Die Kommissionsvorsitzende Sabine Andresen forderte, mehr Opfer zu Strafanzeigen zu ermutigen. „Der Wert einer Strafanzeige liegt nicht nur in einer Verurteilung der Täter oder Täterinnen“, erklärte sie. „Durch sie wird auch das Schweigen durchbrochen.“
Die Kommission hatte im Mai 2016 ihre Arbeit aufgenommen. Sie untersucht sämtliche Formen von sexuellem Kindesmissbrauch in der Bundesrepublik und in der DDR.
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