Medizin

Multiresistente Keime: Urologen verordneten häufiger Antibiotika als Nicht-Urologen

  • Donnerstag, 5. Oktober 2017
Medikamente, Antibiotika /dpa
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Straubing/Neuruppin – Fragt man Urologen, Chirurgen, Internisten und Gynäkologen, ob sie in den letzten sieben Tagen ein Antibiotikum verordnet haben, muss man mit deutlichen Unterschieden rechnen. Einer aktuellen Umfrage zufolge verordnen Urologen mehr Antibiotika als andere Facharztgruppen. Sie fühlen sich bei der Dosierung und Interpretation der Antibiogramme aber auch sicherer. Die Ergebnisse der Umfrageergebnisse wurden in International Urology and Nephrology publiziert (2017; doi: 10.1007/s11255-017-1603-1) und in European Urology (2017; doi: 10.1016/j.eururo.2016.12.011).

Ein Team um die Urologen Matthias May vom St. Elisabeth-Klinikum Straubing und Steffen Lebentrau von den Ruppiner Kliniken in Neuruppin führte eine Umfrage an 18 Krankenhäusern durch. Chirurgen, Internisten, Gynäkologen und Urologen wurden aufgefordert einen Fragebogen auszufüllen, in dem es unter anderem um den Einsatz und Resistenzen von Antibiotika ging. Von 456 analysierten Fragebögen war die Rücklaufquote unter Urologen mit 76,7 Prozent am höchsten (135 von 176). Aus den anderen drei Facharztgruppen erhielten die Forscher Antworten von 321 von 885 kontaktierten Ärzten (36,3 Prozent).

Die Auswertung zeigt, dass Urologen in den letzten sieben Tagen deutlich häufiger bei mehr als fünf Patienten Antibiotika verschrieben, als Nicht-Urologen (50,7 versus 24,3 Prozent; p>0,001). Dabei müsse man berücksichtigen, dass Urologen aufgrund der hohen Prävalenz oft mit rekurrenten Harnwegsinfektionen konfrontiert werden, erklärt May.

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Uroinfektiologische Choose-Wisely von der Arbeitsgruppe MR-2

„Die erste Wahl bei einer unkomplizierten Harnwegs­infektion sollten Nischen-Antibiotika wie etwa Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin oder Nitroxolin beziehungsweise eine symptomatische Therapie ohne Antibiotikum sein“, sagt der Urologe und verweist auf die soeben aktualisierten Leitlinie und die uroinfektiologischen  Empfehlungen von „Klug entscheiden“ (siehe Kasten). Laut der Umfrageergebnisse verordnen dennoch etwa 30 Prozent (p = 0,424) der Urologen und auch der Nicht-Urologen Breitspektrum-Antibiotika bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Das sei keine Option und ginge zu Lasten des Mikrobioms, warnt May.

Ärzte unterschätzen Resistenzraten an ihrer Klinik

Defizite offenbarte die Umfrage auch bei Kenntnissen zum Antibiotic Stewardship (ABS). Zwar glauben Urologen im Vergleich zu Nicht-Urologen die Erregerresistenz ihrer Klinik besser zu kennen. Dennoch konnte ein Großteil der befragten Ärzte die Rate der lokalen E. coli-Resistenz gegen Ciprofloxacin nicht richtig einordnen – hier schnitten alle Arztgruppen gleich schlecht ab. „Das ist vor allem vor dem Hintergrund erschreckend, dass die Kenntnis der korrekten Resistenzraten Bestandteil eines Antibiotic Stewardship (ABS) ist“, sagt May. Etwa zwei von drei der beteiligten Kollegen gaben eine falsche Kategorie an. Der Großteil unterschätze dabei die reale Resistenzrate seines Heimatklinikums.

Bereits in einer früheren Publikation im Urologen waren die Autoren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kenntnisse zum 10-Punkte-Plan des Bundesgesundheits­ministeriums und auch zu ABS-Programmen unzureichend sind. Dabei sollten diese zwingend im klinischen Behandlungsalltag implementiert werden. Das Fazit lautet daher erneut: Es besteht ein erheblicher Weiterbildungsbedarf zum Thema multiresistente Keime und ABS unabhängig von der Fachrichtung.

gie

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