Wissenschaftler warnen vor Zunahme der Antibiotikaresistenzen

Brüssel/Jena – Die Europäische Union warnt vor einer Zunahme von besonders widerstandsfähigen Erregern, gegen die mehrere Antibiotika nicht mehr wirken. 2016 wurden solche Multiresistenzen unter anderem bei dem weit verbreiteten Darmkeim Escherichia coli nachgewiesen, wie das Europäische Präventionszentrum ECDC heute in Brüssel anlässlich des zehnten europäischen Antibiotika-Aktionstags am 18. November mitteilte. Dies sei besorgniserregend, weil es für Patienten, die mit solchen Keimen infiziert seien, kaum noch Behandlungsoptionen gebe.
Gleichwohl sehen die Wissenschaftler auch Lichtblicke: Bei dem ebenfalls sehr weit verbreiteten Bakterium Klebsiella pneumoniae, das Atem- und Harnwegserkrankungen auslösen kann, stabilisiere sich die Lage. Und bei Staphylococcus aureus sei der Anteil der multiresistenten Keime zwischen 2013 und 2016 weiter zurückgegangen. Man sehe inzwischen kleine Fortschritte, erklärte ECDC-Direktorin Andrea Ammon.
Post-antibiotische Ära droht
Forscher verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen unter Führung der Leibniz-Gemeinschaft warnen gleichwohl vor einer „post-antibiotischen Ära“, in der vermeintlich harmlose Krankheiten tödlich enden können. Sie fordern die neue Bundesregierung auf, den Kampf gegen multiresistente Krankheitserreger noch stärker zu unterstützen.
„Schwere Infektionen, die zu einer lebensbedrohlichen Sepsis führen können, müssen wir viel zu oft blind mit Breitspektrumantibiotika behandeln, da wir zunächst weder den Erreger noch eventuell vorhandene Resistenzen bestimmen können. Gängige Laborverfahren benötigen bis zu 72 Stunden, um uns die für die therapeutische Entscheidung dringend benötigten Informationen zu liefern. Daher schießen wir unter Umständen mit Kanonen auf Spatzen. Ein Teufelskreis, der das Entstehen neuer Resistenzen begünstigt“, erläuterte Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum Jena.
Zwar gebe es bereits jetzt zahlreiche innovative Lösungsansätze, aber es vergingen im Durchschnitt 14 Jahre für die Weiterentwicklung hin zu einem marktfähigen Produkt. „Diesen Zustand müssen wir dringend ändern“, forderte Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für photonische Technologien. „Mit Unterstützung der Politik müssen Kompetenzen und Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen strukturell zusammengeführt und gemeinschaftlich konkrete Strategien zur Bekämpfung von Infektionen entwickelt werden“, so Popp.
Auf Initiative der Bundesregierung wurde vor Kurzem in Berlin der „Global Collaboration Hub on Research and Development on AMR“ ins Leben gerufen – als Koordinationsplattform für Antibiotikaforschung. „Damit leistet Deutschland einen wertvollen Beitrag, die internationalen Aktivitäten der akademischen wie industriellen Forschung zu Antibiotika zielgerichtet zu gestalten: Der Global Collaboration Hub wird die effiziente Neuentwicklung von Antibiotika fördern“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa), Birgit Fischer, mit Blick auf den europäischen Antibiotikatag am 18. November.
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