Nach EuGH-Urteil: Bayern will Arzneiversandhandel verbieten

München – Bayern will den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland verbieten und hat eine Bundesratsinitiative angekündigt. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte heute in München, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Preisbindung gefährde die flächendeckende Arzneimittelversorgung. Es dürfe „keine Rosinenpickerei zulasten der Apotheken vor Ort und damit der ortsnahen Versorgung“ der Patienten geben.
Nach dem gestrigen Urteil der Luxemburger Richter sei zu befürchten, „dass die Versandapotheken vor allem die Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln und von Chronikern an sich ziehen wollen“, sagte Huml. Dann müssten viele Apotheken am Stadtrand und auf dem Land schließen. Individuelle Beratung und Notfall-Versorgung könne keine Internetapotheke leisten.
Ökonomen hingegen rechnen nach dem Urteil mittelfristig mit deutlichen Rabatten für gesetzlich Versicherte in Deutschland. Der Direktor des Münchner Instituts für Gesundheitsökonomie, Günter Neubauer, sagte der Bild, er erwarte, dass auch Versandapotheken mit Rabatten nachziehen. „Und auch die niedergelassenen Apotheken um die Ecke werden versuchen, mit Rabatten um Kunden zu werben.“ Mittelfristig seien Preisnachlässe bei der Zuzahlung von 20 Prozent drin.
Nach Ansicht Neubauers würden gerade Patienten „mit vielen und teuren Medikamenten“, zum Beispiel Dialyse-Patienten, profitieren. „Apotheken werden versuchen, sie mit Rabatten an sich zu binden“, sagte Neubauer voraus.
Dem Bericht zufolge reagierte die niederländische Internet-Apotheke DocMorris sofort auf das EuGH-Urteil. Seit gestern erstattet DocMorris demnach Kunden auf Rezepte zwei Euro pro Medikament. Das entspricht je nach Höhe der Zuzahlung bis zu 40 Prozent. Die Europa Apotheek erstattet nach eigenen Angaben bis zu zehn Euro je rezeptpflichtigem Medikament, wie Bild berichtet.
Der EuGH hatte gestern die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente gekippt. Die Festlegung einheitlicher Abgabepreise benachteilige Versandapotheken im EU-Ausland und beschränke somit den freien Warenverkehr in der EU, befand das Gericht in Luxemburg. Die deutschen Apotheker zeigten sich schockiert von der Entscheidung.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte gestern erklärt, er sei „fest entschlossen, das Notwendige und das uns Mögliche zu tun, damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau durch ortsnahe Apotheken weiterhin gesichert bleibt.“ Der Versandhandel könne „die wohnortnahe Versorgung durch Präsenzapotheken nicht ersetzen“. Es gelte deshalb, „bewährte Strukturen weiter zu erhalten“.
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