Politik

Nach EuGH-Urteil: Bayern will Arzneiversandhandel verbieten

  • Donnerstag, 20. Oktober 2016
Uploaded: 07.09.2016 18:01:04 by maybaum

München – Bayern will den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland verbieten und hat eine Bundesratsinitiative angekündigt. Gesundheitsmi­nis­terin Melanie Huml (CSU) sagte heute in München, das Urteil des Europäischen Ge­richts­hofs (EuGH) zur Preisbindung gefährde die flächendeckende Arzneimittelversor­gung. Es dürfe „keine Rosinenpickerei zulasten der Apotheken vor Ort und damit der ortsnahen Versorgung“ der Patienten geben.

Nach dem gestrigen Urteil der Luxemburger Richter sei zu befürchten, „dass die Ver­sand­­apotheken vor allem die Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln und von Chro­nikern an sich ziehen wollen“, sagte Huml. Dann müssten viele Apotheken am Stadtrand und auf dem Land schließen. Individuelle Beratung und Notfall-Versorgung könne keine Internetapotheke leisten.

Ökonomen hingegen rechnen nach dem Urteil mittelfristig mit deutlichen Ra­batten für gesetzlich Versicherte in Deutschland. Der Direktor des Münchner Instituts für Gesund­heitsökonomie, Günter Neubauer, sagte der Bild, er erwarte, dass auch Ver­sand­­apothe­ken mit Rabatten nachziehen. „Und auch die niedergelassenen Apotheken um die Ecke werden versuchen, mit Rabatten um Kunden zu werben.“ Mittelfristig seien Preis­nach­lässe bei der Zuzahlung von 20 Prozent drin.

Nach Ansicht Neubauers würden gerade Patienten „mit vielen und teuren Medika­men­ten“, zum Beispiel Dialyse-Patienten, profitieren. „Apotheken werden versuchen, sie mit Rabatten an sich zu binden“, sagte Neubauer voraus.

Dem Bericht zufolge reagierte die niederländische Internet-Apotheke DocMorris sofort auf das EuGH-Urteil. Seit gestern erstattet DocMorris demnach Kunden auf Rezepte zwei Euro pro Medikament. Das entspricht je nach Höhe der Zuzahlung bis zu 40 Prozent. Die Europa Apotheek erstattet nach eigenen Angaben bis zu zehn Euro je rezeptpflichtigem Medikament, wie Bild berichtet.

Der EuGH hatte gestern die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medika­mente gekippt. Die Festlegung einheitlicher Abgabepreise benachteilige Versandapo­the­ken im EU-Ausland und beschränke somit den freien Warenverkehr in der EU, befand das Gericht in Luxemburg. Die deutschen Apotheker zeigten sich schockiert von der Entscheidung.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte gestern erklärt, er sei „fest entschlossen, das Notwendige und das uns Mögliche zu tun, damit die flächendeckende Arzneimittel­ver­sorgung auf hohem Niveau durch ortsnahe Apotheken weiterhin gesichert bleibt.“ Der Versandhandel könne „die wohnortnahe Versorgung durch Präsenz­apo­the­ken nicht ersetzen“. Es gelte deshalb, „bewährte Strukturen weiter zu erhalten“.

afp

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