Nachtschichten: Neue Studien können Brustkrebsrisiko nicht bestätigen

Oxford – Regelmäßige Nachtschichten, die den Tag-Nacht-Rhythmus stören, waren in drei epidemiologischen Studien auch langfristig nicht mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden. Die jetzt im Journal of the National Cancer Institute (2016; doi: 10.1093/jnci/djw169) veröffentlichten Ergebnisse stehen im Gegensatz zu einer einflussreichen Einschätzung der International Agency for Research on Cancer (IARC), die Schichtarbeit als „wahrscheinlich krebserregend“ (Gruppe-2A-Karzinogen) bewertet hat.
Die IARC hatte ihre Einstufung 2007 vor allem mit den Ergebnissen tierexperimenteller Befunde begründet. Mäuse waren nach der Störung ihrer Tag-Nacht-Aktivität durch Licht vermehrt an Krebs erkrankt. Der Zusammenhang erschien biologisch plausibel, da Licht während der biologischen Nacht die Melatoninproduktion unterdrückt und in genetische Krebssignalwege eingreift. Gleichzeitig gab es, wenn auch begrenzt, Hinweise aus epidemiologischen Studien.
Die IARC-Monographie betraf vor allem Angestellte im Gesundheitswesen, da Nachtschichten im Pflegebereich häufig sind. In Großbritannien arbeitet jede siebte Krankenschwester im Schichtdienst, 2 Prozent sogar länger als 20 Jahre. Da das Mammakarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist, wäre ein kausaler Zusammenhang von großer Public Health-Bedeutung.
Im Jahr 2008 wurde in Dänemark 38 Nachtschichtarbeiterinnen, die an Brustkrebs erkrankt waren, Entschädigungen gezahlt. Auch in anderen Ländern wurde über eine Anerkennung als Berufserkrankung diskutiert. In Deutschland wurde dies mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Kausalbeziehung nicht zweifelsfrei belegt sei.
Inzwischen wurden weitere epidemiologische Studien durchgeführt, die Zweifel an einem Zusammenhang aufkommen lassen. Dazu gehören die Million Women Study, die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC) und seit neuestem auch die UK Biobank-Studie.
Ein Team um Ruth Travis von der Universität Oxford hat die Daten der drei Studien (bei EPIC nur die britische Kohorte) ausgewertet. Von 795.850 weiblichen Teilnehmern sind 768 an Brustkrebs erkrankt. Diese Frauen hatten jedoch nicht häufiger als andere an Nachtschichten teilgenommen.
Die relativen Risiken betrugen in der Million Women Study 1,00 (95-Prozent-Konfidenzintervall 0,92-1,08) und in der EPIC-Oxford 1,07 (0,71-1,62). Laut der UK Biobank-Studie erkrankten die Nachtschichtlerinnen mit einem relativen Risiko von 0,78 (0,61-1,00) sogar tendenziell seltener an Brustkrebs. In der Million Women Study waren selbst Frauen, die über 20 Jahre oder länger immer wieder in Nachtschichten gearbeitet hatten, nicht häufiger erkrankt. Das relative Risiko lag exakt bei 1,00 (0,81-1,23).
Die neuen Daten heben auch die in früheren Studien beobachteten Assoziationen auf. In einer Meta-Analyse aller zehn prospektiven Studien mit 4.660 Brustkrebserkrankungen ermittelt Travis ein relatives Risiko von 0,99 (0,95-1,03) für alle Frauen, die jemals in Nachtschichten gearbeitet hatten. Das relative Risiko war selbst für Frauen mit mehr als 20 Jahren Nachtschichterfahrung (relatives Risiko 1,01; 0,93-1,10) oder mehr als 30 Jahren Nachtschichterfahrung 1,00 (0,87-1,14) nicht erhöht.
Die Stiftung Cancer Research UK, die die Studie zusammen mit dem Medical Research Council und der Arbeitsschutzbehörde Health and Safety Executive in Auftrag gegeben hatte, verkündete, die Ergebnisse seien eine gute Nachricht für alle Krankenschwestern und andere Frauen, die nachts arbeiten müssen. Sie sollten sich keine Sorgen machen, dass die Nachtschichten ihr Krebsrisiko erhöhen.
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