Nachwuchsärzte: Training kann Lücken zwischen Studium und Beruf verkleinern

Frankfurt am Main – Die Lücke zwischen medizinisch-theoretischem Wissen und klinischer Praxis bei Medizinstudierenden sowie Ärztinnen und Ärzten zu Beginn ihrer Weiterbildung lässt sich durch spezifisches Training schließen.
Davon waren die Teilnehmenden des Symposiums „Vertrauen in ambulante Versorgung und Bevölkerungsmedizin stärken – Ärztlichen Nachwuchs gezielt am Arbeitsplatz mittels EPAs trainieren“ überzeugt. Eingeladen hatten das Institut für Kommunikations- und Prüfungsforschung Heidelberg und das Gesundheitsamt Frankfurt.
„Eine optimale Verknüpfung von Studium und Weiterbildung ist mittels gut konstruierter und longitudinal eingesetzter EPAs recht einfach möglich“, meinte Jana Jünger, Ärztliche und wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Kommunikations- und Prüfungsforschung in Heidelberg.
Das Modell der EPAs (Entrustable Professional Activities, deutsch: Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten) wurde ursprünglich für die ärztliche Weiterbildung entwickelt, findet seinen Einsatz aber auch zunehmend im Praktischen Jahr (PJ) des Medizinstudiums. Viele medizinische Fakultäten entwickelten sie in den letzten Jahren dafür, insbesondere für die PJ-Fächer Innere Medizin, Chirurgie und Allgemeinmedizin.
EPAs können nach Ansicht und nach den Erfahrungen der Teilnehmenden des Symposiums auch dafür sorgen, dass Berufseinsteigerinnen und -einsteiger bei einem Wechsel des Einsatzorts – beispielsweise bei Rotationen im Rahmen der Weiterbildung – ärztliche Aufgaben sicher übertragen werden können.
Denn nicht nur junge Ärzte, sondern auch Auszubildende sowie Weiterbildungsbefugte erhielten durch sie einen Überblick über den Leistungsstand der Nachwuchsärzte und könnten sie dadurch beim Lern- und Weiterbildungsprozess begleiten.
Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin sowie der Allgemeinmedizin hätten sich in den letzten Jahren effiziente Aus- und Weiterbildungsnetzwerke für den ambulanten Bereich etabliert, berichtete Jünger. Aber auch in der Bevölkerungsmedizin würden Lehr- und Forschungsgesundheitsämter vergleichbar zusammenarbeiten, erklärte Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main.
Die Implementierung von EPAs in das Training am Arbeitsplatz ermögliche es, gezielt Medizinstudierende und Ärzte in Weiterbildung an ihren Aus- und Weiterbildungsstand angepasst zu unterstützen sowie ihnen zu konkreten Aufgaben – wie beispielsweise zu einer Schuleingangsuntersuchung – ein strukturiertes Feedback zu geben. Darüber hinaus ermöglichten EPAs in den Gesundheitsfachberufen die Abstimmung von professionellen Tätigkeiten über Disziplin- und Berufsgrenzen hinweg, ergänzte Jünger.
Besonders eine ambulante Tätigkeit hat häufig Beratungsanlässe, die mittels EPAs gut trainiert werden können. „EPAS sind besonders wichtig für die Allgemeinmedizin, die Pädiatrie und auch im Gesundheitsamt“, betonte Irmgard Streitland-Böhme, Vorsitzende der Gesellschaft für Hochschullehre in der Allgemeinmedizin (GHA). „EPAs verbinden Wissen, praktische Tätigkeit und professionelles Handeln auf einzigartige Weise“, sagte sie.
An einigen medizinischen Fakultäten finde man EPAs bereits in den PJ-Logbüchern für die Allgemeinmedizin. „Unsere Vision ist, die praktische Prüfung nach dem PJ auf bundesweite EPAs abzustimmen“, erläuterte die Allgemeinmedizinerin. Momentan gebe es noch viel zu viele verschiedene Logbücher. Aufgrund der hohen Mobilität der Studierenden im PJ sei jedoch eine vergleichbare, arbeitsplatzorientierte Prüfung wünschenswert.
Eindeutige Vorteile durch den Einsatz von EPAs sieht Folkert Fehr von der Deutschen Gesellschaft für Ambulante Allgemeine Pädiatrie (DGAAP) bei der Weiterbildung im ambulanten Setting. „Eine gute Versorgung von Kindern und Jugendlichen geht nur interdisziplinär und interprofessionell“, ist er überzeugt.
Die EPAs, die er für die Weiterbildung von jungen Ärztinnen und Ärzten im Fach Pädiatrie in seiner Praxis verwende, beinhalteten Leitlinien der AWMF und seien auf konkrete Beratungsanlässe im ambulanten Bereich konzipiert, wie die Vorstellung eines Kleinkindes mit akutem Ohrenschmerz. Sie seien dann universell einsetzbar.
Auch vier Universitätskliniken hätten bereits EPAs bei der Weiterbildung in der Pädiatrie eingesetzt, berichtete Fehr. Die Resonanz bei den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung sei positiv. „Sie wollen Gelerntes selbstständig anwenden“, betonte er. „Und sie wollen supervidiert werden und Feedback erhalten.“ Teilweise würden junge Ärzte auch selbstständig Videos von ihrer Interaktion mit Kindern und deren Eltern in der Sprechstunde aufnehmen und den Weiterbildungsbefugten für ein Feedback vorlegen. „Das bringt Lernerfolg und Motivation.“
Schwierig sei es nicht EPAs zu erstellen, so Jünger. „Es hat sich gezeigt, dass die gute Zusammenarbeit zwischen Inhaltsexperten, medizindidaktischen Experten und informatischer Kompetenz in der Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern eine hervorragende Basis ist, um EPAs nachhaltig zu etablieren“, betonte sie. Wichtig sei lediglich, dass die EPAs gleichzeitig spezifisch genug, aber auch übertragbar genug seien.
Wie dies gelingen kann, zeigten Workshops im Rahmen des Symposiums. Insgesamt wurden in der Veranstaltung neun neue EPAs in den drei Fachgruppen erarbeitet. Vor allem wurde dabei deutlich, dass die interdisziplinäre Abstimmung der EPAs zentral ist, da viele Themen diverse Fächer tangieren.
„Aber auch von einer interprofessionellen Zusammenarbeit bei der Erstellung von EPAs profitieren wir alle“, sagte Jünger. EPAs, die von verschiedenen Professionen durchgeführt werden, wie beispielsweise die Erstaufnahme eines Patienten, sollten auch unbedingt interprofessionell entwickelt werden, beispielsweise mit Medizinischen Fachangestellten.
Ein besonderer Pluspunkt ist jedoch die optimale Verknüpfung von Studium und Weiterbildung. „EPAs können aufeinander aufbauen, in verschiedenen Fächern oder Settings erworben werden und – wenn sie digital verfügbar sind – auch gut in die Weiterbildung mitgenommen werden“, so Jünger.
So könnten Weiterbildende das Niveau, aber auch noch den Entwicklungsbedarf der Weiterzubildenden auf übersichtliche Weise feststellen. „Gerade die longitudinale, digitale Verfügbarkeit von EPAs in sektor- und disziplinübergreifenden Lernsettings stellen eine große Chance für individualisiertes Lernen dar“, ist Jünger überzeugt.
PJ-Logbücher bilden nach ihrer Ansicht eine gute Grundlage, um sie mit ausformulierten EPAs zu unterfüttern. „Wir haben festgestellt, dass viele EPAs vom PJ unverändert in die Weiterbildung übernommen werden können.“ Dann wäre das Ziel einer anvertraubaren professionellen Tätigkeit nicht mehr mit direkter Supervision, sondern nur noch mit mittelbarerer Supervision durchzuführen.
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