Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fett laut Fachverbänden nicht wissenschaftsbasiert

Berlin – Die auf Freiwilligkeit der Lebensmittelindustrie basierende sogenannte Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fett in verarbeiteten Lebensmitteln ist laut der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und des AOK-Bundesverbandes nicht wissenschaftsbasiert. Sie weisen damit eine Aussage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 14. Februar zurück, nach der es sich dabei um eine „wissenschaftsbasierte“ Strategie und „das Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses mit Beteiligung (…) der Wissenschaft“ handle.
„Wir sind angehört worden, aber unsere evidenzbasierten Empfehlungen pro verpflichtende Maßnahmen sind nicht berücksichtigt worden. Das Ergebnis ist weder ein Konsens, noch hatten wir ein Vetorecht“, erläutert die DAG-Präsidentin Martina de Zwaan. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), erklärte zu der Reduktionsstrategie, „dass der Input der Wissenschaft bezüglich gesunder Ernährung kaum bis gar nicht inhaltlich diskutiert wird.“
Unzufrieden mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie ist auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland (BVKJ). „Wir kritisieren neben der Freiwilligkeit der Strategie und der mangelnden Definition von Obergrenzen kritischer Nährstoffe in verpackten Lebensmitteln insbesondere die lange Zeitdauer für die Umsetzung der Reduktionsziele. Das sind sieben verlorene Jahre für die derzeit heranwachsenden Kinder – in diesem Zeitraum werden fortgesetzt Fakten für Übergewicht und Adipositas durch überzuckerte Produkte geschaffen! Gerade für Softgetränke benötigen wir eine effektivere Zuckerreduktion als vorgeschlagen – oder eine Softdrinksteuer“, mahnte Sigrid Peter, Vizepräsidentin des BVKJ.
„Die Zielmarken sind so unambitioniert und unverbindlich, dass mittlerweile der Eindruck einer Alibi-Veranstaltung entstehen kann“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands.
Die vier Verbände erneuern ihre Forderung nach einem generellen Werbeverbot von an Kinder und Jugendliche gerichteter Werbung für übergewichtsfördernde, verarbeitete Lebensmittel sowie nach einer interpretativen, leicht verständlichen Nährwertkennzeichnung auf der Verpackungsvorderseite.
Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, will, dass die Nahrungsmittelbranche schrittweise weniger Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten verarbeitet. Dabei soll sich die Branche freiwillig auf Reduktionsziele verpflichten – Kritiker fordern dagegen verbindliche Vorgaben. Ein Begleitgremium soll den Prozess im Auge behalten.
Die Auftaktsitzung dieses Begleitgremiums fand am 12. Februar statt. Bereits im Vorfeld hatte die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) ihre Teilnahme abgesagt. Die Fachgesellschaft erklärte im Vorfeld, das Gremium sei praktisch wirkungslos. Wissenschaftliche Erkenntnisse würden in den konkreten Reduktionszielen kaum berücksichtigt.
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