Ärzteschaft

Nationale Reduktions­strategie für Zucker, Salz und Fett laut Fachverbänden nicht wissenschaftsbasiert

  • Dienstag, 19. Februar 2019
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Berlin – Die auf Freiwilligkeit der Lebensmittel­industrie basierende sogenannte Nationale Reduktions­strategie für Zucker, Salz und Fett in verarbeiteten Lebensmitteln ist laut der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und des AOK-Bundes­verbandes nicht wissenschaftsbasiert. Sie weisen damit eine Aussage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt­schaft vom 14. Februar zurück, nach der es sich dabei um eine „wissenschaftsbasierte“ Strategie und „das Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses mit Beteiligung (…) der Wissenschaft“ handle.

 „Wir sind angehört worden, aber unsere evidenzbasierten Empfehlungen pro verpflichtende Maßnahmen sind nicht berück­sichtigt worden. Das Ergebnis ist weder ein Konsens, noch hatten wir ein Vetorecht“, erläutert die DAG-Präsidentin Martina de Zwaan. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), erklärte zu der Reduktionsstrategie, „dass der Input der Wissenschaft bezüglich gesunder Ernährung kaum bis gar nicht inhaltlich diskutiert wird.“

Unzufrieden mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie ist auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland (BVKJ). „Wir kriti­sieren neben der Freiwilligkeit der Strategie und der mangelnden Definition von Ober­grenzen kritischer Nährstoffe in verpackten Lebensmitteln insbe­son­dere die lange Zeitdauer für die Umsetzung der Reduktionsziele. Das sind sieben verlorene Jahre für die derzeit heranwachsenden Kinder – in diesem Zeitraum werden fortgesetzt Fakten für Übergewicht und Adipositas durch über­zucker­te Produkte geschaffen! Gerade für Softgetränke benötigen wir eine effektivere Zuckerreduktion als vorgeschlagen – oder eine Softdrinksteuer“, mahnte Sigrid Peter, Vizepräsidentin des BVKJ

„Die Zielmarken sind so unambitioniert und unverbindlich, dass mittlerweile der Eindruck einer Alibi-Veranstaltung entstehen kann“, sagte  Martin Litsch, Vor­stands­­vorsitzender des AOK-Bundesverbands.

Die vier Verbände erneuern ihre Forderung nach einem generellen Werbeverbot von an Kinder und Jugendliche gerichteter Wer­bung für übergewichtsfördernde, verarbeitete Lebensmittel sowie nach einer interpre­tativen, leicht verständlichen Nährwertkenn­zeichnung auf der Verpackungsvorder­seite.

Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, will, dass die Nahrungsmittelbranche schrittweise weniger Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten verarbeitet. Dabei soll sich die Branche freiwillig auf Reduktionsziele verpflichten – Kritiker fordern dagegen verbindliche Vorgaben. Ein Begleitgremium soll den Prozess im Auge behalten.

Die Auftaktsitzung dieses Begleitgremiums fand am 12. Februar statt. Bereits im Vorfeld hatte die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) ihre Teilnahme abgesagt. Die Fachgesellschaft erklärte im Vorfeld, das Gremium sei praktisch wirkungslos. Wissenschaftliche Erkenntnisse würden in den konkreten Reduktionszielen kaum berücksichtigt.

hil

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