Kinderärzte wollen weitreichendere Impfpflicht und Zuckersteuer

Weimar – Eine Impfpflicht für Kinder nur gegen Masern geht dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) nicht weit genug. Sie müsse auch andere von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Schutzimpfungen, etwa gegen Keuchhusten oder Pneumokokken-Infektionen, umfassen. Das sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach heute zum Auftakt eines bundesweiten Ärztekongresses in Weimar.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte jüngst einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach eine Masern-Impfpflicht für Kinder in Kindergärten und das Personal in Kitas und Schulen sowie in Gesundheitseinrichtungen, wenn Patientenkontakt besteht, ab März 2020 kommen soll. Der Verband unterstützt dies, mahnt aber an, dass eine Impfpflicht in ein Gesamtkonzept eingebettet sein müsse, betonten die Mediziner.
Fischbach verwies auch darauf, dass Regelungen für nicht geimpfte junge Erwachsene in dem Gesetzentwurf fehlten. Zahlreiche neue Masernausbrüche in Deutschland seien zuletzt auf Impflücken in dieser Altersgruppe zurückgegangen. Der Verbandschef plädierte außerdem für ein nationales Register, in dem Impfstatus und Impflücken erfasst werden, sowie den Aufbau „konsequenter Erinnerungssysteme“ für Eltern, die Impftermine versäumen.
Hilfreich wäre es aus seiner Sicht auch, wenn Kinder- und Jugendärzte in ihren Praxen bei Impfterminen auch gleich ungeimpfte Eltern von Kindern immunisierten. Problem hierbei seien unterschiedliche Vergütungsregelungen für diese Mediziner je nach Bundesland.
Bei der Frage der Impfpflicht sind Politik und Experten gespalten. Es gibt auf allen Seiten Gegner und Befürworter. Das zeigte sich auch heute wieder im Landtag von Sachsen-Anhalt. Die Abgeordneten stimmten dort heute für einen Antrag, den die Koalition von CDU, SPD und Grünen gemeinsam mit der oppositionellen Linken eingebracht hatte. Die AfD enthielt sich, sprach sich in der Debatte zuvor gegen eine Pflicht aus.
In dem fraktionsübergreifenden Antrag wird auf ein bundesweit einheitliches Vorgehen zu einer Masern-Impfpflicht gedrängt. Parallel dazu soll die Landesregierung aber eine landesspezifische Lösung vorbereiten, falls das bundesweite Vorgehen scheitert. Zudem brauche es mehr Aufklärung und Information.
Der dreitägige Kongress der Kinderärzte mit rund 350 Teilnehmern beschäftigt sich nicht nur mit dem Thema impfen, sondern auch etwa mit Strategien gegen Übergewicht bei Kindern. Kritik übte der Verband dabei an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Es wie von ihr beabsichtigt den Lebensmittelherstellern zu überlassen, Fett- und Zuckergehalt in ihren Produkten zu verringern, sei „ein Skandal“, hieß es.
Dies werde seit Jahren probiert, bewirkt habe es nichts, sagte Fischbach. „Wenn Sie den Sumpf trockenlegen wollen, dürfen Sie nicht die Frösche fragen.“ Der Verband fordert eine Zuckersteuer, einfache Kennzeichnungen der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln auf den Verpackungen und ein Werbeverbot für Produkte, die sich speziell an Kinder richten. In Deutschland haben nach Verbandsangaben rund 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche zu viel Fett auf den Rippen, 800.000 davon sind sogar stark übergewichtig.
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