Politik

Reduktionsstrategie für Zucker, Fette und Salz erstmals mit Zielwerten

  • Mittwoch, 19. Dezember 2018
Regale eines Supermarkts gefüllt mit Frühstücksflocken /dpa
Für Frühstückscerealien für Kinder, Erfrischungsgetränke und Kinderjoghurts wurden erste Zielwerte zur Reduktion vorgelegt. /dpa

Berlin – Heute stellte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner im Bundes­ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) den Kabinettsbeschluss zur Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertiglebensmitteln vor. Mit der Strategie werde das Lebensmittelangebot gesünder, ist Klöckner überzeugt. Deutliche Kritik kam im Vorfeld hingegen von diversen medizinischen Fachgesellschaften sowie foodwatch und der Bundesärztekammer (BÄK).

Die Wirtschaft habe sich dazu verpflichtet, auf freiwilliger Basis bis 2025 Zucker, Fette und Salz in Fertiglebensmitteln zu reduzieren, verkündete Klöckner. „Das hat es in dieser Geschlossenheit bisher noch nicht gegeben.“ Im Gegensatz zum Entwurf (der im November vorlag) verkündete Klöckner heute erstmals konkrete Zielvereinbarungen, die von den jeweiligen Herstellern unter­schrieben wurden: In Frühstücks­cerealien für Kinder solle Zucker um mindestens 20 Prozent reduziert werden. Hersteller von Erfrischungsgetränken hätten angeboten, mindestens 15 Prozent Zucker zu reduzieren, sagte Klöckner. „Bei den Kinderjoghurts – was nicht einfach war – haben wir zehn Prozent weniger Zucker vereinbart.“

Außerdem wurde eine Vereinbarung mit dem Bäckerhandwerk zur Reduktion von Salzspitzen im Brot und eine Selbstverpflichtung zur Salzreduktion in Fertigpizzen getroffen. Genaue Prozentangaben sollen 2019 folgen. Ebenso kündigte Klöckner für 2019 an, dass Prozentangaben zu weiteren Produktgruppen vereinbart werden würden. „Wieviele Lebensmittelgruppen es am Ende sein werden, kann ich noch nicht sagen.“ All jene, die die Strategie unterschrieben haben, sollten aber liefern, sagte sie. Im Fokus stünden aber jene Fertiglebensmittel für Kinder, die selbst die Nährwerte für Erwachsene überschreiten. Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, sagte hingegen der Bild-Zeitung, dass weiterhin jeder Bäcker selbst entscheide, ob er künftig weniger Salz verwende.

Konsequenzen bei Nichteinhalten der Zielwerte unklar

Die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie würde durch ein engmaschiges Monitoring überwacht werden mit einer ersten Überprüfung für Herbst 2019, sagte Klöckner. Ein Zwischenbericht soll Ende 2020 vorgelegt werden. Konkrete Konsequenzen für jene Hersteller, die sich nicht an die vereinbarten Zielwerte halten, konnte sie nicht benennen. Sie gehe erst einmal davon aus, dass sich alle an die unterschriebenen Abmachungen halten.

Härter durchgreifen will Klöckner bei zugesetztem Zucker und anderen süßenden Zutaten in Säuglings- und Kleinkindertees. Sie kündigte erneut an, sie werde 2019 die Diätverordnung überarbeiten, um zugesetzten Zucker in Babytees bis Ende 2019 gänzlich zu verbieten.

Kritik von Verbänden, Politikern und Ärzten

Geschlossen zeigt sich auch die Ärzteschaft: Die BÄK kritisierte im Vorfeld, dass der Entwurf für eine Reduktionsstrategie keine validen Ausgangsdaten aufführt, aus denen sich Zielmargen für eine bevölkerungsmedizinisch notwendige Veränderung der Aufnahme von Zucker, Salz und Fett ableiten ließen. „Vielmehr soll deren Festsetzung offensichtlich ausschließlich den von der Lebensmittelindustrie branchenspezifisch zu treffenden Vereinbarungen überlassen bleiben“, heißt es in der Stellungnahme der BÄK zum Konzeptentwurf des BMEL. Entsprechend vage fielen die zu erreichenden Ziele aus. Dabei würden ausreichende epidemiologische Daten und international konsentierte Grenzwerte für alle genannten Nährstoffe vorliegen. Entsprechende Rahmenvorgaben für Salz, Zucker und Fett seien auf EU-Ebene bereits seit 2008 vereinbart worden.

Nicht ganz zufrieden zeigte sich auch Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG): Bei Softdrinks reiche eine verhältnismäßig geringe Reduktion von 15 oder 20 Prozent nicht aus. „Notwendig ist für herkömmlich süße Cola und Limonade eine Zuckerreduktion um 50 Prozent. Dass sich diese technisch schnell umsetzen lässt, beweist das Beispiel Großbritannien.“ Für eine Reduktion um 50 Prozent spricht sich auch die Grünen-Politikerin Renate Künast aus. Ihre Partei kritisierte Klöckners Strategie als „Geschenk an die Lebensmittelkonzerne“. Die Reduktionsstrategie sei „gänzlich unverbindlich, ihre Umsetzung liegt in weiter Ferne und für Kinder ist fast nichts erreicht“, erklärte Künast.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hält die ersten vereinbarten Zielwerte für zu gering: Die angekündigte Senkung des Zuckergehaltes in Frühstücksflocken für Kinder um nur 20 Prozent sei viel zu gering, wenn man weiß, dass der höchste Zuckergehalt in Kindermüsli 23 Prozent höher ist als im ohnehin schon süßen Müsli für Erwachsene, heißt es in einer Pressemitteilung. Den heutigen Beschluss bewertet Berthold Koletzko von der DGKJ zwar als „einen guter, aber nur ersten Schritt“.

Bitzer ist auch nicht damit einverstanden, dass die Industrie „sieben Jahre Schonfrist“ bekommt, um ihre Produkte gesünder zu machen. „Wir sind enttäuscht, dass Ernährungsministerin Julia Klöckner hier ihre eigenen Ziele, die zunächst durchaus ambitioniert wirkten, derart verwässert. Die Industrie kennt die Folgen ihrer ungesunden Produkte seit Jahren, hat aber kaum gehandelt. Dafür wird sie nun auch noch mit Nachsicht belohnt. Wenn die Ministerin das WHO-Ziel ‚Die gesunde Wahl zur einfachen Wahl machen‘ ernst meint, muss sie auch die Maßnahmen umsetzen, die die WHO mit diesem Slogan verbindet. Dazu gehört ein Verbot von Werbung für ungesunde Produkte, die sich an Kinder richtet“, so die Sprecherin der DANK, der 22 wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungs­einrichtungen angehören. Die DANK begrüße aber die Ankündigung der Ministerin, die Umsetzung der Reduktion engmaschig zu überprüfen und bei „fehlender Bereitschaft zur Zusammenarbeit regulatorische Maßnahmen zu prüfen“.

Die Organisation foodwatch warf der Ministerin „knallharte Interessenpolitik“ vor und kritisierte, dass es auf freiwillige Selbstverpflichtungen hinausgelaufen sei. Außerdem seien die vereinbarten Ziele zu lasch. Die Organisation forderte stattdessen erneut unter anderem eine Limo-Steuer nach dem Vorbild Großbritanniens sowie eine Lebensmittelampel.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte, der Versuch, mit einer Selbstverpflichtung schnelle Fortschritte zu erzielen, „verdient eine Chance“. Allerdings dürften die Ziele nicht auf anderem Wege umgangen werden, etwa mit vermeintlichen Produktinnovationen oder dem Austausch durch ungesunde Ersatzstoffe.

gie

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