Ärzteschaft

Neuropsychologen befürchten Verschlechterung der ambulanten Versorgung

  • Dienstag, 18. Juni 2019

Fulda – Die Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) befürchtet, dass es zu einer Ver­schlechterung der Versorgung von Patienten kommt, die nach einer hirnorgani­schen Erkrankung unter Störungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, des emotionalen Befindens und des Verhaltens leiden. Grund dafür sind Formulierungen im Gesetzent­wurf für die Reform der Psychotherapeutenausbildung, der kommende Woche ab­schließend im Bundestag diskutiert werden soll.

„Wir begrüßten die Reform der Psychotherapeutenausbildung grundsätzlich sehr. Sie könnte auch für die Ausbildung zum Neuropsychologen eine große Chance sein, dann nämlich, wenn sich nach dem Direktstudium der Psychotherapie und der Approbation eine Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten für klinische Neuropsychologie an­schließt“, erläuterte der GNP-Vorsitzender Thomas Gutke dem Deutschen Ärzteblatt. Ein direkter Zugang der Klinischen Neuropsychologie in die Weiterbildung sei fachlich gut realisierbar und für die Patientenversorgung dringend erforderlich, betonte er.

Dem entgegen steht aber Paragraf 1, Absatz 2 im Entwurf für ein neues Psychothera­peutengesetz nach der Reform Ausbildung. In dieser (Legal)-Definition der Berufsaus­übung wird nur auf wissenschaftlich geprüfte und anerkannte psychotherapeutische Verfahren Bezug genommen. Das sind die vom Wissenschaftlichen Beirat Psychothe­ra­pie (WBP) anerkannten Verfahren (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse), die nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss sozialrechtlich verankert sind und mit denen eine Niederlassung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung möglich ist.

Im Unterschied zu diesen sogenannten Richtlinien-Verfahren gilt die Neuropsycholo­gie nicht als Verfahren, sondern als Methode. Sie wurde vom WBP zwar wissen­schaftlich anerkannt aber nicht zur vertieften Ausbildung empfohlen, weil sie nicht die Breite des Anwendungsbereiches für Psychotherapie abdecken kann. Denn die Neu­ro­psychologie ist auf den Diagnosebereich F0 (hirnorganisch erworbene Schädigun­gen) spezialisiert.

„Mit der Einengung auf wissenschaftlich anerkannte Verfahren in der Legaldefinition wären wir außen vor und keine Weiterbildung zum ‚Fachtherapeuten für Klinische Neuropsychologie‘ möglich“, erklärte Gutke. Auch die Eintragung in das Arztregister setze die Anerkennung als Verfahren beziehungsweise den Abschluss einer Weiter­bildung zum Fachpsychotherapeuten voraus. „Es wäre ein absoluter Rückschritt, wenn es so kommen würde“, sagte Gutke. Die Zulassung zum niedergelassenen Neu­ropsychologen würde dann ein Psychotherapiestudium, eine Weiterbildung zum Fach­psychotherapeuten und noch eine Weiterbildung in klinischer Neuropsychologie um­fassen.

„Keine neurologische Klinik wird Fachpsychotherapeuten einstellen, die gerade anfan­gen Neuropsychologie zu lernen – das ist viel zu teuer“, ist Gutke überzeugt. Die Ge­sellschaft für Neuropsychologie fordert daher eine entsprechende Korrektur des Ge­setzentwurfes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung.

Aktuell gibt es nur rund 200 niedergelassene Neuropsychologen

Die GNP hatte in die Reform der Psychotherapeutenausbildung große Hoffnungen ge­setzt. Denn aktuell gibt es nach Angaben der Fachgesellschaft nur rund 200 niederge­lasse­n­e Klinische Neuropsychologen, weil die Hürden für die Zulassung hoch sind.

Nach dem Studium der Psychologie und der drei- bis fünfjährigen Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten muss noch eine Zusatzbezeichnung in klinischer Neuropsychologie erworben werden. Die meisten Neuropsychologen (rund 800 bun­desweit) arbeiten laut GNP in neurologischen Kliniken.  

Die Deutsche Stiftung Schlaganfall-Hilfe hatte vor kurzem beklagt, dass im ambulan­ten Bereich nur so wenige Neuropsychologen für Patienten mit hirnorganischen Er­krankungen zur Verfügung stehen.

PB

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