Neuropsychologen befürchten Verschlechterung der ambulanten Versorgung
Fulda – Die Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) befürchtet, dass es zu einer Verschlechterung der Versorgung von Patienten kommt, die nach einer hirnorganischen Erkrankung unter Störungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, des emotionalen Befindens und des Verhaltens leiden. Grund dafür sind Formulierungen im Gesetzentwurf für die Reform der Psychotherapeutenausbildung, der kommende Woche abschließend im Bundestag diskutiert werden soll.
„Wir begrüßten die Reform der Psychotherapeutenausbildung grundsätzlich sehr. Sie könnte auch für die Ausbildung zum Neuropsychologen eine große Chance sein, dann nämlich, wenn sich nach dem Direktstudium der Psychotherapie und der Approbation eine Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten für klinische Neuropsychologie anschließt“, erläuterte der GNP-Vorsitzender Thomas Gutke dem Deutschen Ärzteblatt. Ein direkter Zugang der Klinischen Neuropsychologie in die Weiterbildung sei fachlich gut realisierbar und für die Patientenversorgung dringend erforderlich, betonte er.
Dem entgegen steht aber Paragraf 1, Absatz 2 im Entwurf für ein neues Psychotherapeutengesetz nach der Reform Ausbildung. In dieser (Legal)-Definition der Berufsausübung wird nur auf wissenschaftlich geprüfte und anerkannte psychotherapeutische Verfahren Bezug genommen. Das sind die vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) anerkannten Verfahren (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse), die nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss sozialrechtlich verankert sind und mit denen eine Niederlassung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung möglich ist.
Im Unterschied zu diesen sogenannten Richtlinien-Verfahren gilt die Neuropsychologie nicht als Verfahren, sondern als Methode. Sie wurde vom WBP zwar wissenschaftlich anerkannt aber nicht zur vertieften Ausbildung empfohlen, weil sie nicht die Breite des Anwendungsbereiches für Psychotherapie abdecken kann. Denn die Neuropsychologie ist auf den Diagnosebereich F0 (hirnorganisch erworbene Schädigungen) spezialisiert.
„Mit der Einengung auf wissenschaftlich anerkannte Verfahren in der Legaldefinition wären wir außen vor und keine Weiterbildung zum ‚Fachtherapeuten für Klinische Neuropsychologie‘ möglich“, erklärte Gutke. Auch die Eintragung in das Arztregister setze die Anerkennung als Verfahren beziehungsweise den Abschluss einer Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten voraus. „Es wäre ein absoluter Rückschritt, wenn es so kommen würde“, sagte Gutke. Die Zulassung zum niedergelassenen Neuropsychologen würde dann ein Psychotherapiestudium, eine Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten und noch eine Weiterbildung in klinischer Neuropsychologie umfassen.
„Keine neurologische Klinik wird Fachpsychotherapeuten einstellen, die gerade anfangen Neuropsychologie zu lernen – das ist viel zu teuer“, ist Gutke überzeugt. Die Gesellschaft für Neuropsychologie fordert daher eine entsprechende Korrektur des Gesetzentwurfes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung.
Aktuell gibt es nur rund 200 niedergelassene Neuropsychologen
Die GNP hatte in die Reform der Psychotherapeutenausbildung große Hoffnungen gesetzt. Denn aktuell gibt es nach Angaben der Fachgesellschaft nur rund 200 niedergelassene Klinische Neuropsychologen, weil die Hürden für die Zulassung hoch sind.
Nach dem Studium der Psychologie und der drei- bis fünfjährigen Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten muss noch eine Zusatzbezeichnung in klinischer Neuropsychologie erworben werden. Die meisten Neuropsychologen (rund 800 bundesweit) arbeiten laut GNP in neurologischen Kliniken.
Die Deutsche Stiftung Schlaganfall-Hilfe hatte vor kurzem beklagt, dass im ambulanten Bereich nur so wenige Neuropsychologen für Patienten mit hirnorganischen Erkrankungen zur Verfügung stehen.
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