Große Koalition verschiebt Reform der Psychotherapeutenausbildung

Berlin – Das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung sollte eigentlich noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden. Für übermorgen standen die zweite und dritte Lesung auf der Tagesordnung des Bundetages. Kurzfristig wurde der Punkt jedoch abgesetzt. Dem Vernehmen nach gibt es noch Abstimmungsbedarf zwischen den Fraktionen.
„Das Gesetz wurde abgesetzt, weil in zu vielen Punkten noch keine Einigung erfolgt ist“, sagte der Berichterstatter für Psychiatrie und Psychotherapie der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Heidenblut, auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts. Derzeit wird mit einer Verschiebung der abschließenden Debatte des Gesetzentwurfs im Herbst gerechnet. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach erklärte vor Journalisten: „Bundesminister Jens Spahn und ich arbeiten auch in der Sommerpause weiter an dem Gesetz."
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll künftig die Approbation als Psychotherapeut nach einem fünfjährigen Universitätsstudium der Psychotherapie erteilt werden. Für den Zugang zum vertragsärztlichen Versorgungssystem soll eine anschließende Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten im ambulanten und stationären Bereich notwendig sein. Aus der Ärzteschaft gab es zuletzt wiederholt Kritik an der Novelle. Die Psychotherapeuten begrüßen die Reform hingegen.
Erneut Nachbesserungen gefordert
Bei einer Fachtagung von 36 psychotherapeutischen Berufs- und Fachverbänden gestern Abend in Berlin verdeutlichten die Verbandsvertreter, dass es dringend notwendig sei, Änderungen am Gesetzentwurf vorzunehmen.
Grundsätzlich gebe es aber ein „Ja“ zu der Ausbildungsreform aus der Psychotherapeutenschaft. Notwendig sei insbesondere die Absicherung der Vielfalt der psychotherapeutischen Verfahren in einem zukünftigen Psychotherapiestudium sowie die ausreichende finanzielle Absicherung der zukünftigen Weiterbildungsteilnehmer vor allem im ambulanten Bereich.
Cord Benecke, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Kassel, legte bei der Fachtagung dar, dass die grundständige Vermittlung der Breite des Fachs mit der Vielfalt der Verfahren wichtig sei, um ein differenziertes Versorgungsangebot für die Patienten aufrechtzuerhalten.
Dies müsse im Studium gewährleistet sein, die verfahrensbezogene Fachkunde der Dozenten sei dabei unerlässlich. Der Gesetzentwurf sieht diese verfahrensausgewogene Lehre bislang vor, sie wird aber insbesondere von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Frage gestellt, die einen „evidenzbasierten Pluralismus“ in der Lehre bevorzugt.
Der Rechtsanwalt und Justiziar der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung Markus Plantholz stellte vor, wie eine Förderung der zukünftigen ambulanten Weiterbildung strukturell angelegt sein könnte. Eine Förderung sei notwendig, wenn man den Psychotherapeuten in Weiterbildung (PiW) eine angemessene Vergütung zugestehen wolle, da die Finanzierung der Versorgungsleistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung nicht ausreiche, um den Betrieb der Weiterbildungsambulanz und die PiW-Gehälter zu finanzieren.
Bessere Übergangsregelungen für Psychologiestudierende gefordert
Gestern hatte der Petitionsausschuss des Bundestages zudem in öffentlicher Sitzung die Forderung nach Schaffung von Übergangsregelungen für Psychologiestudenten beraten, wenn das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung in Kraft tritt.
Grundlage dafür war eine Petition der Psychologiestudentin Maria Heuring, die knapp 85.000 Unterstützer gefunden hat. Darin wird kritisiert, dass die aktuellen und zukünftigen Psychologiestudenten, sowie die derzeitigen Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) von den „begrüßenswerten Verbesserungen“ durch ein Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz ausgeschlossen seien.
„Wir fordern angemessene Übergangsregelungen für derzeitige Psychologiestudierende und PiA“, sagte die in der Psychologie-Fachschaften-Konferenz (PsyFaKo) organisierte Studentin. Es gelte, die Ausbildungsmöglichkeiten der Studierenden zu sichern, indem ihnen ein Wechsel in das neue Ausbildungssystem ermöglicht werde.
Derzeitige Studenten profitierten von der Reform nicht im Geringsten, beklagte Heuring. „Nach einer knappen Übergangsfrist haben sie keine Möglichkeit mehr, Psychotherapeut zu werden, außer das Studium im neuen System von vorne zu beginnen“, sagte die Studentin. Das Reformgesetz erkenne keine Härtefallregelungen an, sodass sie im Falle von Krankheit, Familienplanung, der Pflege Angehöriger, beruflicher Nebentätigkeiten oder einer Promotion Schwierigkeiten bekämen, ihr Studium und ihre Ausbildung fristgerecht abzuschließen.
Die geplante Übergangszeit von zwölf Jahren für die Jahrgänge, die noch nach altem Recht ihre Ausbildung absolvieren, sei zu knapp berechnet, kritisierte auch die die Petentin begleitende Katharina Janzen, Vertreterin der Studierenden der Psychologie. Die Gründe, warum diese Zeit für viele nicht ausreichen werde, seien vielfältig, sagte sie und plädierte für Härtefallregelungen. Ein Übertritt in das neue Ausbildungssystem sollte ihrer Ansicht nach beispielsweise mithilfe von Nachqualifizierungen möglich sein.
Übergangszeiten von 30 Jahren nicht umsetzbar
Nach Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ist die geplante Übergangszeit ausreichend. Dies verdeutlichte Susanne Wald, Leiterin der Abteilung 3 für Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Biomedizin im BMG, im Petitionsausschuss. Es müsse bedacht werden, dass Länder und Universitäten für die gesamte Zeitdauer parallele Systeme in der Ausbildung vorrätig haben müssten. „Forderungen von Übergangszeiten bis zu 30 Jahren sind daher nicht umsetzbar“, betonte sie.
Dirk Heidenblut unterstützt die Forderungen der Studierenden und Psychotherapeuten in Ausbildung. Die Übergangsregelungen müssten in dem Reformgesetz so ausgestaltet werden, dass man in das neue Ausbildungssystem wechseln könne oder ausreichend Zeit habe, die alte Ausbildung zu Ende zu bringen.
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