Medizin

Nicht alle Rezepturen zur Desinfektion sind für den ambulanten und stationären Bereich geeignet

  • Mittwoch, 18. März 2020
Brandenburg, Prenzlau: Eine Krankenschwester reinigt sich ihre Hände mit Desinfektionsmittel in einem Kreiskrankenhaus. /picture alliance
Da zur Prävention oder Behandlung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 weder eine Impfung noch Medikamente zu Verfügung stehen, kommt Hygienemaßnahmen eine besondere Bedeutung zu. /picture alliance

Bonn – Alkohol-Wasser-Gemische zur hygienischen Händedesinfektion auf Basis von 70% v/v 2-Propanol oder 80% v/v Ethanol sind bei einer Einwirkzeit von 30 Sekunden und einem Volumen von 3 ml ausreichend wirksam gegen Bakterien und Coronaviren. Davon sei zumindest auszugehen, teilt die Desinfektionsmittel-Kommission (DMK) des Verbunds für Angewandte Hygiene e.V. (VAH) in einer Stellungnahme mit.

Aufgrund der Lieferengpässe bei Händedesinfektionsmitteln ist es Apotheken seit dem 4. März bis zum 31. August erlaubt, diese selber herzustellen. Rechtsgrundlage dafür ist Artikel 55 der Biozidverordnung.

Die Übersicht zur Herstellung und Wirkung von Händedesinfektionsmitteln hat der VAH vorab online veröffentlicht, eine Publikation in Hygiene und Medizin ist für Ausgabe 4/2020 geplant.

Zur Verfügung stehen 2 Rezepturen auf Basis von 2-Propanol und 5 Rezepturen auf Basis von Ethanol (siehe Kasten). Die DMK bestätigt auf Basis von Prüfberichten und Gutachten akkreditierter Laboratorien die Wirksamkeit von 70% v/v 2-Propanol in der Standard­zulassung mit 3 ml in 30 Sekunden Einwirkzeit. Studien liegen jedoch nicht vor.

Für 70% v/v beziehungsweise 80% v/v Ethanol zeigt sich in Studien ein uneinheitliches Bild. Prüfberichte und Gutachten akkreditierter Laboratorien könnten jedoch die Wirksamkeit des Ethanol-Wasser-Gemischs (80% v/v) in der Standardzulassung mit 3 ml bei 30 Sekunden Einwirkzeit für die hygienische Händedesinfektion bestätigen, schreibt der VAH in seiner Übersicht.

Die von der Weltgesundheitsorgansiation (WHO) empfohlenen Rezepturen erwiesen sich hingegen als unzureichend wirksam (nach der in der EN 1500 beschriebenen Prüfmethodik). Für eine bakterizide Wirksamkeit müssten die Hände 2 mal für 30 Sekunden mit 3 ml desinfiziert werden. Gegenüber Coronaviren seien sie hingegen nach derzeitigem Wissensstand in 30 Sekunden wirksam.

Diese Desinfektionsmittel sind ausreichend wirksam im häuslichen Bereich

Das Fazit der VAH-Kommission lautet daher: Wenn keine Möglichkeit zum Händewaschen besteht, können die Rezepturen außerhalb der Patientenversorgung angewendet werden. Beim Umgang mit Personen im häuslichen Bereich, bei denen eine SARS-CoV-2-Infektion besteht (laborbestätigt), wird die Verwendung von Händedesinfektionsmitteln mit begrenzt viruzidem Wirkspektrum empfohlen (siehe Kasten). Das schreibt die gemeinsame Kommission „Virusdesinfektion“ der Gesellschaft für Virologie (GfV) und der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten (DVV) ergänzend in ihrer Stellungnahme zum Einsatz von Desinfektionsmitteln bei Infektionsverdacht oder bei nachgewiesener Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2.

Alternativ zu kommerziell verfügbaren Händedesinfektionsmitteln können laut GfV und DVV auch in Apotheken hergestellte alkoholische Lösungen gemäß Standardzulassung 2-Propanol 70% (v/v) oder die Ethanol-basierte WHO-Formulierung I beziehungsweise 2-Propanol-haltige WHO-Formulierung II angewendet werden.

Die Virologen der GfV und DVV betonen aber auch, dass für den öffentlichen Bereich wie etwa Büros, Kindergärten oder Schulen das gründliche Händewaschen ausreiche. Mit Influenzaviren konnte gezeigt werden, dass bereits Wasser und Seife das Virus nach 20 Sekunden inaktivieren.

VAH rät im ambulanten und stationären Bereich von WHO-Rezepturen ab

Andere Regeln gelten für Kliniken und Praxen. Hier empfiehlt der VAH vorzugsweise die Standardzulassungen 2-Propanol (70% v/v, ZNR-Zulassungsnummer: 1599.98.99) und das Ethanol-Wasser-Gemisch (80% v/v, ZNR-Zulassungsnummer: 1999.98.99).

Noch strengere Empfehlungen gelten für die chirurgische Händedesinfektion. Komme es hier zu Lieferengpässen, sollte laut DMK am ehesten die Standardzulassung auf Basis von 80% v/v 2-Propanol (ZNR-Zulassungsnummer: 1599.97.99) mit einer Einwirkzeit von 3 Minuten oder 70% v/v 2-Propanol (ZNR-Zulassungsnummer: 1599.98.99) mit einer Einwirkzeit von 5 Minuten zum Einsatz kommen.

Aufgrund einer unzureichenden Wirksamkeit rät der VAH von den WHO-Rezepturen im ambulanten und stationären Bereich ab.

gie

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