Medizin

Intensivmediziner veröffentlichen Empfehlungen zur Therapie von COVID-19-Patienten

  • Freitag, 13. März 2020
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DGIIN10.1007/s00063-020-00674-3

Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (

).

) hat in Zusammenarbeit mit weiteren Fachgesellschaften Empfehlungen für Ärzte auf Intensivstationen herausgegeben, die Patienten mit COVID-19 betreuen (DOI:

Die Autoren betonen, dass sich der gegenwärtige Wissensstand überwiegend auf Beobachtungen aus China und Italien bezieht. Grundsätzlich empfehlen sie, dass sich im Krankenhaus ein multidisziplinäres Team aus Intensivmedizinern, Pflegekräften, Infektiologen und Krankenhaushygienikern mit der Thematik befassen sollte.

Im Folgenden sind die Empfehlungen zu Diagnostik, Krankheitsbild, Laborchemie, Unterbringung und Hygienemaßnahmen, medikamentöser Therapie und Beatmung in gekürzter Form dargestellt:

Diagnostik

Für den Nachweis von SARS-CoV‑2 empfehlen die Fachleute die Untersuchung eines tiefen Rachenabstrichs oder des Rachenspülwassers mittels PCR. Bei negativem Testergebnis trotz dringendem klinischem Verdacht sollte eine zweite Probe getestet werden. Für Intensiv­mediziner von besonderer Bedeutung: Bei Patienten im späteren Verlauf der Erkrankung könne der Rachenabstrich bereits wieder virenfrei sein, während noch infektiöse Viruslast in den unteren Atemwegen besteht. In diesen Fällen ist den Empfehlungen zufolge die Gewinnung von Tracheobronchialsekret hilfreich.

Krankheitsbild

Zum Krankheitsbild heißt es, dass sich die Erkrankung als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten manifestiert. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führe im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (>30/min), dabei stehe eine Hypoxämie im Vordergrund. Oft zeigten sich dann bereits pulmonale Infiltrate in der Bildgebung.
Mögliche Verlaufsformen seien die Entwicklung eines ARDS sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen seien Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens. Vom Beginn der Symptome bis zur Aufnahme auf die Intensivstation vergingen etwa 10 Tage.

Laborchemie

In der Laborchemie zeigt sich den Autoren zufolge häufig (circa 80 %) eine Lymphopenie, bei einem Drittel der Patienten mit Leukopenie. Die meisten Patienten haben einen normalen Prokalzitoninwert, bei deutlich erhöhten Werten müsse an eine bakterielle Superinfektion gedacht werden. Das CRP ist häufig erhöht, dabei scheinen sehr hohe Werte mit einer schlechteren Prognose zu korrelieren.

Eine Thrombozytopenie, LDH-Wert-Erhöhung oder D‑Dimer-Wert-Erhöhung finde sich bei ca. 40 % der Patienten. Nach den bisherigen Erfahrungen deuteten steigende Werte (insbesondere > 400 IU/ml) der unspezifisch erhöhten LDH auf einen schwereren Verlauf hin. Bei einem kleineren Teil der Patienten finden sich Troponinerhöhungen, die Relevanz ist unklar.

Im konventionellen Röntgenbild zeigen sich den Autoren zufolge bei intensivpflichtigen Patienten oft bilaterale Infiltrate. In der CT finden sich bereits sehr früh im Lauf der Erkrankung bilaterale, subpleural imponierende Milchglastrübungen und eine Konsolidierung von Lungenabschnitten. Aufgrund des Risikos für Mitarbeiter und Patienten sollte eine CT bei Intensivpatienten deshalb nur bei therapeutischer Konsequenz durchgeführt werden. Bettseitige Untersuchungen per Ultraschall sollten bevorzugt werden.

Unterbringung und Hygienemaßnahmen

Zur Unterbringung der Patienten schreiben die Intensivmediziner, dass diese vorzugsweise einzeln in einem Isolierzimmer erfolgen sollte, idealerweise mit Schleuse/Vorraum. Im Fall einer ausgeprägten Epidemie/Pandemie sollte eine Kohortenisolation angestrebt werden.

Laut den Empfehlungen sollte nur geschultes Personal Zugang zu den Betroffenen haben und dieses Personal möglichst von der Versorgung anderer Patienten freigestellt werden. Auch ein Besuchsverbot ist in diese Empfehlungen eingeschlossen.Für die Betreuung der Patienten erinnern die Autoren an die konsequente Umsetzung der Basishygiene sowie die korrekte Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung entsprechend den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts.

Medikamentöse Therapie

Eine spezifische antivirale Therapie gegen SARS-CoV-2 existiert bislang nicht. Zwar gebe es Therapieversuche mit einer Reihe von Substanzen wie zum Beispiel Hydroxychloroquin, Lopinavir/Ritonavir, Camostat und Remdesivir. Aber deren Einsatz sollte nur nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung und im Einzelfall erwogen werden. Therapieversuche sollten, wenn möglich, im Rahmen von Compassionate-Use-Programmen oder Studienprotokollen durchgeführt werden. Eine Aufstellung wahrscheinlicher Arzneimittel-Interaktionen mit experimentellen Therapien von COVID-19 hat die Universität Liverpool veröffentlicht.

Zu Steroiden empfehlen die Autoren, diese bei ARDS in keinem Fall routinemäßig zu geben, denn sie scheinen die virale Clearance zu verzögern und das Pilzwachstum zu begünstigen. Auch von einer prophylaktischen Antibiotikagabe raten die Autoren ab. Allerdings sollte bei Beginn der Behandlung auf der Intensivstation und bei einer Verschlechterung des Patienten die Abnahme von mindestens zwei sowohl aerober als auch anaerober Blutkultursets erfolgen. Bei Patienten mit Verdacht auf eine Koinfektion sollte eine kalkulierte antibiotische Therapie frühzeitig initiiert werden.

Bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz raten die Autoren mit einer Flüssigkeitstherapie zurückhaltend zu sein, insbesondere bei Fehlen von Schock oder Gewebeminderperfusion.

Um eine adäquate Oxygenierung sicherzustellen, wird eine SpO2 ≥ 90 % empfohlen. Dabei gilt es auf ausreichenden Schutz des Personals zu achten, da die Anwendung der High-Flow-Sauerstofftherapie sowie der nichtinvasiven Beatmung zu einer Aerosolbildung führt. Bei entsprechender Erfahrung sei die nichtinvasive Beatmung mittels Beatmungshelm zu bevorzugen.

Insgesamt raten die Autoren, die Indikation für HFNC/NIV bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz im Rahmen von COVID-19 eher zurückhaltend zu stellen. Bei Patienten mit einer schwereren Hypoxämie (PaO2/FIO2 ≤ 200 mmHg) sei vorzugsweise die Intubation und invasive Beatmung anzustreben. In jedem Fall müssten ein kontinuierliches Monitoring und eine ständige Intubationsbereitschaft sichergestellt sein.

Prozeduren an den Atemwegen sollten aufgrund der Aerosolbildung nur bei absoluter Notwendigkeit von einem Arzt mit umfangreicher Intubationsexpertise und mit entsprechenden Schutzmaßnahmen durchgeführt werden.

Auch bei einer notwendigen Reanimation sei besonders auf die entsprechenden Schutzmaßnahmen des Personals zu achten, schreiben die Intensivmediziner. Die Atemwegsicherung sollte schnell erfolgen und die betreuende Personalgruppe klein gehalten werden.

Invasive Beatmung und adjuvante Maßnahmen

Für Patienten mit ARDS empfehlen die Autoren grundsätzlich die Beatmung mit einem VT ≤ 6 ml/kg Standard-KG und einem endinspiratorischen Atemwegsdruck ≤ 30 cm H2O. Auch zur Einstellung des PEEP und zur Bauchlagerung gibt das Papier konkrete Empfehlungen.
Zur Überbrückung einer schweren Hypoxämie könne im Einzelfall die Applikation von inhalativem NO, eine Muskelrelaxierung oder ein Rekrutierungsmanöver erwogen werden. Bei Patienten mit schwerem ARDS und therapierefraktärer Hypoxämie (PaO2-FIO2-Quotient <80 bzw. 60 mm Hg) sei der Einsatz der venovenösen ECMO eine therapeutische Option, um den Gasaustausch zu stabilisieren.

Allerdings müssten vor dem Einsatz einer ECMO alle sonstigen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft, Kontraindikationen ausgeschlossen und der Patientenwille evaluiert worden sein.

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