Ärzteschaft

Notfallreform: KBV-Mitglieder sehen „Doktor-on-Demand“ vor der Tür

  • Freitag, 5. Dezember 2025
/Jürgen Gebhardt
/Jürgen Gebhardt

Berlin – Mit Sorgen blicken die Delegierten der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf die derzeitige Debatte rund um die verschiedenen Sparvorschläge im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

„Rückwärtsgewandt“ und als „Gefahr für die ambulante Versorgung“ werden die Vorschläge in einem einstimmig beschlossenen Antrag der Vertreterversammlung (VV) bezeichnet – mehrere Delegierte nennen die Forderungen des GKV-Spitzenverbands nach einem Ende der Entbudgetierungen bei Pädiatern und Hausärzten „Zechprellerei“.

So würden 97 Prozent aller medizinischer Behandlungsfälle in Deutschland in den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten versorgt.

Das „politische und durch die gesetzlichen Krankenkassen vereinbarte und gewünschte Leistungsversprechen“ könne nicht weiter aufrecht gehalten werden, wenn nahezu jährlich neue oder erneuerte Rufe nach „Einsparungen und Budgetfantasien“ auf den Tisch kämen. Daher forderten die Delegierten die Gesundheitspolitik sowie die Krankenkassen auf, „jetzt Investitionen in die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung zu tätigen“.

In der Debatte wurden die VV-Mitglieder deutlicher: So bewertet Peter Heinz von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns „die irrwitzigen Empfehlungen“ des GKV-Spitzenverbandes als „fortlaufende Zechprellerei, die durch die Budgetierung der Leistungen fortgeschrieben“ werde. „Bitte unterstützen Sie die ambulanten Systeme und nutzen Sie es nicht als weiteren Steinbruch fürs Sparen“, so Heinz weiter.

Harry Derouet von der KV des Saarlandes erinnerte daran, dass es auch Zeiten gab, in sowohl ärztliche Leistungen als auch Arzneimittel Budgets unterlagen. „Aber die Arzneimittel wurden dort wieder herausgenommen, die ärztlichen Leistungen nicht.“

Bernhardt Rochell von der KV Bremen bewertet die Vorschläge aus dem GKV-Spitzenverband als „perfide“: „Wir müssen sicherlich auch eine schmerzhafte Debatte darüber führen, welche Leistungen in der GKV künftig gezahlt werden müssen. Aber es muss alles bezahlt werden, was notwendig ist.“

Für mehr Einsatz bei der Politik für die ärztlichen Anliegen warb Thomas Schröter von der KV Thüringen. Für 2026 müssten alle politischen Kräfte mobilisiert werden, auch vielen Mitglieder der Berufsverbände, um sich gegen die erwartbaren Sparideen aus der GKV-FinanzKommission zu stellen, so Schröter.

Notfallreform: „Doktor-on-Demand“ vor der Tür?

Neben den Sparvorschlägen bereitete den Mitgliedern der VV auch der derzeit vorliegende Referentenentwurf zur Notfallreform Sorgen. Wie vorab schon die drei Vorstände der KBV deutlich gemacht hatte, sei vor allem der Fahrdienst rund um die Uhr kaum leistbar.

So fühle sich Frank Bergmann (KV Nordrhein) bei der Notdienstreform an das Motto „freie Fahrt für freier Bürger“ erinnert: Jede und jeder könne immer alles abrufen. Ein „Doktor-on-Demand“ käme aus seiner Sicht, wenn der geplante Fahrdienst, der rund um die Uhr mit niedergelassenen Ärzten besetzt werden soll, im Gesetz enthalten bleibe.

Für eine sinnvolle Notfallversorgung müsse es auch Überlegungen für ein Dispensierrecht im Notdienst geben. Besonders auf dem Land sei es für Patientinnen und Patienten „ein Problem“, in der Nacht die im Notdienst verschriebenen Medikamente zu bekommen.

Bergmann warb daher für mehr „Beinfreiheit für die KVen, regionale Verträge abzuschließen“. Gelinge das nicht, müsse über generelle Dispensiermöglichkeiten nachgedacht werden. „Nur so kommen wir zu einer verlässlichen Notdienstversorgung“, erklärte Bergmann.

Rochell von der KV Bremen betonte auch, dass man den KVen beim Notdienst sowie bei der Terminvermittlung nicht immer mehr Aufgaben auferlegen dürfe, ohne die Finanzierung anzupassen. „Mir tut jeder Fall weh, den wir in der Terminservicestelle nicht vermitteln können“, so Rochell. Denn die Kosten für die Servicestelle werden nicht komplett übernommen, viel laufe dabei über den Haushalt der KV.

Für mehr Verpflichtungen der Patienten im Notdienst warb Burkhard Lembeck von der KV Baden-Württemberg. Für ihn fehle bei der Umsetzung „die Messerspitze des politischen Willens, das auch in die Versorgung zu bringen“. „Wir brauchen die verpflichtende Ersteinschätzung mit einem Ticket“, sagte er. Die VV-Mitglieder verabschiedeten einen umfassenden Antrag zur Notfallreform und forderten die Politik zu Änderungen auf.

Finanzierung der Weiterbildung zügig klären

Klare Aussagen der Politik forderten viele Rednerinnen und Redner auch zur künftigen Finanzierung der ambulanten Weiterbildung. Besonders bei den Psychotherapeuten wird seit Jahren beklagt, dass nach der Umstellung der Studiengänge die Stellen in der Versorgung nicht finanziert werden – besonders die ambulanten Stellen sind so nicht besetzbar.

Die Studierenden der Masterstudiengänge „sind frustriert“, berichtete Anke Pielsticker, psychologische Psychotherapeutin in der Vertreterversammlung. Die Vielzahl der Proteste habe bislang nichts gebracht.

Zwar sei das Thema im aktuellen Koalitionsvertrag aufgenommen, auf dem Papier gebe es einen Vorschlag im Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP) – allerdings fehlten die ambulanten Praxen dabei gänzlich, so Pielsticker.

Alle 1.000 Plätze, die es theoretisch gäbe, seien nicht finanziert, bundesweit seien 80 Plätze bislang belegt worden. „Das können wir uns nicht leisten, ohne Finanzierung gibt es keine Therapie.“ Sie forderte – auch formuliert in einem Antrag – deutlich mehr Einsatz des KBV-Vorstandes für die Finanzierung der ärztlichen und psychotherapeutischen Weiterbildung.

Für den Antrag setzten sich viele weitere Delegierte ein – besonders dafür, dass es keine Beschränkung mehr auf einzelne Fachgruppen bei der Finanzierung gibt. „Die Ambulantisierung wird auch in der Weiterbildung kommen“, so Peter Heinz von der KV Bayerns. „Wir erwarten, dass sich die Politik auch diesem Problem annimmt und man das mit dem GKV-Spitzenverband auch umsetzten kann.“

bee

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