Notfallversorgung: Deutscher Ärztetag mahnt Gesamtkonzept an

Berlin – Der 124. Deutsche Ärztetag 2021 fordert den Gesetzgeber zur Vorlage eines schlüssigen Gesamtkonzeptes für die sektorenübergreifende Kooperation in der Akut- und Notfallversorgung auf. Eine mit dem Gesetzesentwurf des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) geplante isolierte Einführung einer zusätzlichen verpflichtenden, standardisierten Ersteinschätzung, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Vorgaben und Qualitätsvorgaben aufstellen soll, lehnten die Delegierten gestern mit großer Mehrheit ab.
Entgegen vielfacher Ankündigungen habe der Gesetzgeber in der laufenden Wahlperiode die dringend notwendige sektorenverbindende grundlegende Reform der Notfallversorgung nicht umgesetzt, so die Kritik.
Stattdessen solle eine Ersteinschätzung eingeführt werden, welche das Vertrauen der Patienten „massiv erschüttern“ könne. Diese kämen mit der Erwartung in die Notaufnahme eines Krankenhauses, dass sie ärztliche Hilfe erhalten – und keine Abweisung ohne ärztliche Abklärung ihrer Beschwerden allein aufgrund eines Software-Algorithmus.
Die Patienten müssten sich aber darauf verlassen können, dass ihre individuellen Beschwerden ärztlich bewertet werden und die Patientensicherheit im Vordergrund steht. Unklar bleibe auch, wie mit Patienten verfahren werden soll, die im Ersteinschätzungsverfahren der vertragsärztlichen Versorgungsebene zugeteilt werden, dann aber aus Sicht des dort tätigen Arztes doch im Bereich der stationären Notaufnahme behandelt werden sollen.
Die Delegierten des Ärztetages missbilligten in einem weiteren Beschluss das Verhalten derjenigen Krankenhausträger, die derzeit eine Reduzierung ärztlicher Stellen vornehmen. Trotz einer hohen Überstundenlast im ärztlichen Bereich werde mit einer „Reduktion von Arztstellen durch Maßnahmen wie Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse, Verzicht auf Nachbesetzungen und Probezeitkündigungen“ die Arbeit der verbleibenden Ärzte weiter verdichtet.
Diese Maßnahmen seien die unmittelbare Folge der isolierten Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Diagnosis Related Groups (DRG). Man fordere den Bundesgesetzgeber deshalb zu einer grundsätzlichen Reform der Krankenhausfinanzierung auf. Auch die für die ärztliche Personalausstattung anfallenden Kosten müssten außerhalb der DRG abgebildet und vollständig refinanziert werden.
An die für die Krankenhausplanung zuständigen Behörden der Bundesländer appellieren die Delegierten, bei der Planung von Krankenhäusern einen stärkeren Fokus auf die Bedeutung der baulichen Voraussetzungen für Infektionsschutz in Krankenhäusern zu legen. Insbesondere sollten zukünftig mehr Isolationszimmer mit Schleuse und eigener Toilette eingeplant werden. Die Schaffung von Isolationszimmern solle explizit nicht zulasten der Gesamtzahl an vorhandenen Krankenhausbetten gehen.
Bezüglich der aus Bundesmitteln bereitgestellten "zweiten Coronaprämie“ fordern die Delegierten eine angemessene Beteiligung der Ärzte. Der 124. Deutsche Ärztetag forderte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf klarzustellen, dass auch Ärzte bei der Zahlung der Prämie berücksichtigt werden können. Der in der Gesetzesbegründung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) vorgenommene Ausschluss der Ärzte dürfte andernfalls als Zeichen der fehlenden Wertschätzung verstanden werden und sich „verheerend“ auf die Motivation auswirken.
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