Öffentliche Gesundheit: Pläne für Bundesinstitut weiter in der Kritik

Berlin – Die bisherigen Pläne eines neuen Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit stehen auf wackeligen Füßen. An den Vorschlägen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) lassen nicht nur Kritiker, sondern auch die Opposition und die FDP kaum ein gutes Haar.
Auf ein neues Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit hatten sich SPD, Grüne und FDP in den Koalitionsverhandlungen verständig. Das Ziel: Vorbeugung und Informationen zu Krebs und Demenz sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verstärken.
Derzeit hat das Haus von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in einem Referentenentwurf vom Oktober des vergangenen Jahres – ein neuerer Entwurf liegt bisher nicht vor – vorgesehen, die Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring (Abteilung 2) aus dem Robert-Koch-Institut (RKI) auszugliedern und in die neue Behörde einzugliedern.
Heißen soll die neue Bundesoberbehörde „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Während der Transformationsphase im Laufe dieses Jahres soll die Gesetzgebung für das neue Institut auf den Weg gebracht werden. Ob das BIPAM aber am Ende so heißt, wie bisher geplant, oder das RKI tatsächlich gesplittet wird, ist noch nicht sicher, wie Äußerungen der Ampelkoalition zeigen.
„Mir ist bewusst, dass Viele mit den Plänen, die Abteilung 2 aus dem RKI herauszulösen, nicht glücklich sind“, sagte Nezahat Baradari, zuständige Berichterstatterin der SPD, dem Deutschen Ärzteblatt. Es sei aber auch falsch, stattdessen einfach die BZgA beziehungsweise das BIPAM dem RKI unterzuordnen. Letzteres hatten Fachleute in einer Expertenanhörung im Parlament angeregt.
„Das neue Bundesinstitut soll das RKI nicht schwächen, sondern unterstützen“, sagte Johannes Wagner, zuständiger Berichterstatter der Grünen im Bundestag, dem Deutschen Ärzteblatt. Für das Gelingen sei „eine enge Zusammenarbeit mit dem RKI“ wichtig.
Schnittstellen zwischen dem neuen Bundesinstitut und dem RKI werde es mit Sicherheit geben. Dass die Institute eng und vertrauensvoll zusammenarbeiteten, sei „eine wichtige Grundlage, damit die Public-Health-Landschaft in Deutschland einen Sprung nach vorne macht“.
Wagner zufolge hat die Ampel die Errichtung eines Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit vereinbart, in dem die Aktivitäten im Public-Health-Bereich, die Vernetzung des ÖGD und die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt sein sollten. Die BZgA sollte in diesem Institut aufgehen.
„Niemandem wäre geholfen, wenn die BZgA einfach unter neuem Namen weiterlaufen würde. Vielmehr muss jetzt geschaut werden, welche weiteren Aufgaben und Bereiche im neuen Bundesinstitut angesiedelt werden müssen, um die öffentliche Gesundheit wirksam zu stärken und dabei vor allem auch die Gesundheitsämter vor Ort zu unterstützen“, so Wagner.
Wichtig ist für ihn, dass das neue Bundesinstitut nach den neusten wissenschaftlichen Standards arbeitet. „Prävention ist nicht allein Aufgabe der Medizin, sondern muss übergreifend nach dem Prinzip Health-in-All-Policies verstanden werden. Deswegen ist in erster Linie entscheidend, woran in dem Institut gearbeitet wird und auf welche Weise die Aufgaben umgesetzt werden“, sagte er.
FDP will Änderungen im parlamentarischen Verfahren
Die FDP übt auf Nachfrage deutliche Kritik an den Plänen aus dem Ministerium. Sie kann den bisherigen Ideen aus dem Ministerium wenig abgewinnen. „Das BIPAM, in seiner jetzt diskutierten Variante, ist nicht das, was wir uns bei den Koalitionsverhandlungen vorgestellt haben“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Andrew Ullmann, dem Deutschen Ärzteblatt.
Man wolle die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI stärken und aus der schwachen Rolle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Konsequenzen ziehen. Jetzt sei es hingegen der Plan, das RKI „zu beschneiden“. Gleichzeitig solle die BZgA zu einem gestärkten BIPAM im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit umgewandelt werden.
„Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir geplant haben“, erklärte Ullmann. Auch die Trennung von übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten sei „auf keiner Ebene verständlich“. „Wir werden uns im parlamentarischen Prozess mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass wir ein Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit bekommen, welches einem modernen Public Health Ansatz folgt“, kündigte Ullmann an.
Kritik aus der Opposition
Ähnlich beurteilt das die Linke im Bundestag. „Das ganze Vorhaben, inklusive der Namensgebung, spiegelt ein veraltetes und nicht mehr den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechendes Verständnis von Prävention wider“, sagte Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, dem Deutschen Ärzteblatt.
Besonders gravierend sei die Entscheidung, die Prävention nach Krankheitsarten aufzuteilen. „Stattdessen muss der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit stärker in den Blick genommen werden“, mahnt Vogler.
Sie betonte, das RKI habe sich in der Coronapandemie als hoch kompetentes wissenschaftliches Institut bewährt. „Seine Zerschlagung ist eine komplett widersinnige Idee“, sagt die Linken-Abgeordnete. Ein Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit, das unabhängig von politischen Weisungen, aber auch und vor allem vom Einfluss von Lobbyinteressen sein müsse, sollte stattdessen unter dem Dach des RKI errichtet werden.
Für den gesundheitspolitischen Sprecher der Union im Bundestag, Tino Sorge (CDU), verläuft der Errichtungsprozess des BIPAM im typischen Stil von Lauterbach. „Zunächst gibt es große Ankündigungen, dann werden alle Beteiligten verprellt und am Ende bleibt nur mehr verbrannte Erde“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt.
Ohne Not solle die Abteilung 2 aus dem RKI herausgelöst werden. Das schaffe große Unruhe im Institut. „Alternative Möglichkeiten, wie eine komplette Ansiedlung beim RKI oder ganz neue Kooperationsformen zwischen den Behörden wurden offenbar mit den Beteiligten nicht oder nicht ausreichend erörtert, das rächt sich jetzt“, so Sorge.
Kritisch wird von den Parlamentariern vielfach auch die Namensgebung des neuen Instituts gesehen. Die Ansichten gehen auch dabei allerdings auseinander. „In den USA hat man mit den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) eine gut etablierte Marke geschaffen“, erläuterte Sorge.
Ob das mit der Kunstfigur „BIPAM“ gelinge, stehe in den Sternen. „Eine Identifikation mit ihrem Institut dürfte den Mitarbeitern schwer fallen. Auch hier hätte man diese stärker mit einbeziehen können, etwa mit einem Ideenwettbewerb unter der zukünftigen Belegschaft. Diese Chance wurde vertan“, so der CDU-Politiker.
„Ich würde bevorzugen, dass im Namen des Instituts neben der öffentlichen Gesundheit auch die Sozialmedizin auftaucht, die in den letzten Jahren in Deutschland sträflich vernachlässigt wurde“, erklärt die Linken-Abgeordnete Vogler.
„Dazu würde tatsächlich eine Persönlichkeit wie Alice Salomon passen, damit hätte erstmals ein Bundesinstitut im Gesundheitswesen den Namen einer Frau, die sich durch ihr humanistisches Weltbild und ihren Einsatz für vernachlässigte, ausgegrenzte und arme Frauen und ihre Kinder ebenso ausgezeichnet hat wie durch ihr wissenschaftliches Wirken gegen alle Widerstände.“ Vogler greift damit einen Vorschlag von Raimund Geene von der Alice Salomon Hochschule Berlin auf, den dieser beim Fachgespräch im Bundestag gemacht hatte.
Der Name habe natürlich eine Signalwirkung, erklärte Wagner von den Grünen. „Wenn unsere Koalitionäre daran interessiert sind, bin ich persönlich deshalb dafür offen, noch mal darüber zu sprechen. Gerade die Benennung nach einer Frau hätte durchaus Charme“, erklärte er. Es sei schon auffällig, dass viele bestehende Bundesinstitute nicht nur nach Personen, sondern vor allem nach Männern benannt seien.
„Die Diskussion um die Namensgebung war meiner Meinung nach von Anfang an überzogen“, findet hingegen die SPD-Abgeordnete Baradari. Wichtig sei „der Inhalt, nicht die Verpackung“. Zudem habe sich die Abkürzung BIPAM im Sprachgebrauch bereits durchgesetzt. „Ich wüsste nicht, warum man daran noch einmal rühren sollte.“
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