BIPAM: Idee für neues Bundesinstitut fällt bei Fachleuten durch

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant, bis 2025 ein Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) aufzubauen. Darin aufgehen sollen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) sowie Teile des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die Ideen stießen bei einem Fachgespräch im Bundestag auf Kritik.
Mit dem neuen BIPAM will Lauterbach das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, in dem sich SPD, Grüne und FDP darauf verständigt hatten, ein neues Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit ins Leben zu rufen. Ziel sollte es auch sein, die Vorbeugung und Informationen zu Krebs und Demenz sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verstärken. Derzeit ist konkret vorgesehen, die Abteilung 2 des RKI (Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring) aus dem Institut auszugliedern und in die neue Behörde einzugliedern.
Irreführende Namensgebung
Für Raimund Geene, Alice Salomon Hochschule Berlin, der falsche Weg. Er schreibt in einer Stellungnahme für die Abgeordneten im Gesundheitsausschuss des Bundestags, ihn irritierten die „Vorschläge für Namensgebung und Strukturaufbau, insbesondere in der Unterscheidung zwischen übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten wegen der überraschenden Perspektive, Letztere aus der Zuständigkeit des Robert-Koch-Instituts herauszulösen“.
Geene sieht ein hohes Risiko der Diskontinuität, „die vermieden werden sollte“. Sein Vorschlag ist, einen anderen Weg einzuschlagen. So solle statt einer Zersplitterung des RKI das neue Bundesinstitut als autonome Einrichtung direkt beim RKI angesiedelt werden.
Auch der Name sei irreführend. Die Begriffe „Aufklärung“ sowie eine Fokussierung der Prävention auf Medizin in der Namensgebung seien „fachlich nicht haltbar“ und stießen auf „allgemeines Unverständnis bis hin zur Empörung bei den Fachgesellschaften“, schreibt Geene. Er schlägt vor, das Bundesintstitut nach einer vorbildlichen Persönlichkeit, etwa Alice Salomon, zu benennen. Alternativ wäre „Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit“ (BIöG) eine Variante, die er für sinnvoller erachtet.
RKI wird zerschlagen
Susanne Moebus, Institut für Urban Public Health, übt in ihrer Stellungnahme ebenfalls Kritik. „Irritierend“ findet sie, dass viele fachliche Vorschläge nicht berücksichtigt worden seien und „augenscheinlich auf die Vorschläge einer externen Public Health fernen Institution (PWC) mehr Wert gelegt“ worden sei. „In der Folge wird – anders als im Koalitionsvertrag vereinbart – die BzgA quasi weiter ausgebaut und das RKI zerschlagen“, so Moebus.
Die von Lauterbach vorgelegten Eckpunkte des neuen Instituts (Anm. d. Red.: gemeint ist das BIPAM) ließen „zahlreiche gravierende Konstruktionsfehler“ erkennen. Das rückwärtsgewandte Konzept einer Vorbeugemedizin, die Verengung der Prävention auf Krankheitsbilder oder die institutionelle Trennung von Infektionen und Nicht-Infektionen entsprächen nicht mehr dem modernen Verständnis von Public Health, schreibt Moebus.
Rolf Rosenbrock, School of Public Health, verdeutlicht in seinem Papier für den Bundestag, dass für ihn ein Fokus des neuen Bundesinstituts auf Public Health entscheidend ist. Eine Bezeichnung wie „Prävention und Aufklärung in der Medizin“ sei „nicht nur hoffnungslos altmodisch“, sondern verspreche auch das Gegenteil dessen, was geschehen sollte.
Auch bei der geplanten Struktur sieht Rosenbrock Änderungsbedarf. Aus seiner Sicht überschneiden sich die Entstehungsbedingungen übertragbarer und nicht übertragbarer Erkrankungen und damit auch die soziale Ungleichheit der Betroffenheit sehr erheblich.
„Beides ist Gegenstand der Sozialepidemiologie, beides wird am RKI im gebotenen Zusammenhang und auf höchstem Niveau beforscht und als Gesundheitsberichterstattung in die Öffentlichkeit getragen“, schreibt Rosenbrock in seiner Stellungnahme. „Für die Auflösung einer solch total sinnvollen, erfolgreichen, über Jahrzehnte gewachsenen Forschungsstruktur kann ich mir beim besten Willen keinen vernünftigen Grund vorstellen.“
Für Rosenbrock erscheint „sowohl die Errichtung eines eigenen Instituts als Nachfolgeinstitution der BzgA als auch die Eingliederung dieser Funktionen in die Strukturen des RKI möglich und sinnvoll“. Wichtig sei dabei aber, dass das neue Bundesinstitut „eine starke Brandmauer“ erhält, um es gegen wirtschaftliche Lobby und tagespolitische Begehrlichkeiten zu schützen.
Es brauche – ebenso wie das RKI – Unabhängigkeit in der Anwendung seiner Fachkunde. Ob dies mit der Reduktion staatlichen Einflusses auf die Rechtsaufsicht gewährleistet werden könne, wäre juristisch zu prüfen, meint Rosenbrock.
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