Opiatentzug: Naltrexon und Buprenorphin in Studie gleich gut wirksam

New York – Die Opioidkrise, die von der US-Regierung jetzt zu einem nationalen Notstand erklärt wurde, wird die Behandlung Hunderttausender Abhängiger erforderlich machen. Das National Institute on Drug Abuse hat in einer randomisierten klinischen Studie zwei mögliche Therapien prüfen lassen – mit vergleichbaren Ergebnissen, wie die Publikation im Lancet (2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)32812-X) zeigt.
In den USA hat sich die Zahl der Todesfälle durch Opioide, die als Schmerzmittel verschrieben werden, seit dem Jahr 2000 auf nahezu 19.000 fast vervierfacht. Hinzu kommt eine steigende Zahl von Personen, die von Schmerzmitteln auf Heroin umsteigen, da es billiger und einfacher zu bekommen ist. Das National Institute on Drug Abuse schätzt, dass im Jahr 2015 fast 600.000 US-Amerikaner heroinabhängig waren und fast 13.000 Amerikaner an einer Überdosis Heroin gestorben sind.
Den Ärzten stehen bei der Behandlung der Opioidabhängigkeit zwei Optionen zur Verfügung. Die erste Option besteht in der Verordnung von Naltrexon in einer Formulierung mit verzögerter Freisetzung. Naltrexon ist ein kompetitiver Antagonist an allen Opioidrezeptoren. Die Therapie hebt die Opioidwirkung komplett auf.
Naltrexon darf nur an Patienten verordnet werden, die vor Behandlungsbeginn einen erfolgreichen Entzug („Detox“) durchgeführt haben (da es sonst unter der Therapie zu erheblichen Entzugssymptomen kommt). Ein Vorteil von Naltrexon ist, dass es keine opioiden Eigenschaften hat und deshalb die Drogensucht nicht unterhält. Wenn die Behandlung später beendet wird, sollte es nicht zu Entzugssymptomen kommen.
Die zweite Option besteht in einer Therapie mit Buprenorphin. Buprenorphin ist ein partieller Opioidagonist. Es handelt sich also um eine Substitutionsbehandlung, die die Abhängigkeit erhält. Buprenorphin löst aufgrund eines Sättigungseffekts keine Atemdepression aus, was die Sicherheit erhöht. Wegen des raschen Abbaus in der Leber wird Buprenorphin sublingual appliziert. Um eine missbräuchliche Anwendung zu verhindern, wird dem Präparat Naloxon zugemischt. Der Opiatantagonist blockiert bei intravenöser Injektion eine Drogenwirkung. Bei der Substitution mit Buprenorphin bleibt die Abhängigkeit erhalten. Bei einem späteren Absetzen kommt es zu Entzugssymptomen.
Die Studie CTN-0051 hat die Wirkung von Naltrexon in verzögerter Freisetzung (XR-NTX, Vivitrol) mit Buprenorphin-Naloxon (BUP-NX, Suboxone) an 570 Patienten verglichen, die die DSM-5-Kriterien einer Opioidabhängigkeit (Heroin und/oder Schmerzmittel) erfüllten.
Wie erwartet scheiterten in der XR-NTX-Gruppe viele Patienten an der „Detox“-Hürde. Nur 204 von 283 Patienten (72 Prozent), die dieser Therapie zugelost waren, konnten die Therapie beginnen. In der BUP-NX-Gruppe nahmen 270 von 287 Patienten (94 Prozent) an der Studie teil.
In der XR-NTX-Gruppe kam es im Verlauf der 24 Wochen der Studie bei 185 von 283 Patienten (65 Prozent) zu einem Rückfall. In der BUP-NX-Gruppe waren es 163 von 287 Patienten (57 Prozent). In der „intention-to-treat“-Analyse, die alle Patienten berücksichtigt, die einer Behandlung zugelost wurden, war Naltrexon deshalb unterlegen. Das Team um John Rotrosen von der NYU School of Medicine in New York errechnet eine Hazard Ratio von 1,36, die mit einen 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,10 bis 1,68 signifikant war.
Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war jedoch fast ausschließlich auf die Patienten zurückzuführen, die an der „Detox“-Hürde scheiterten und deshalb die Behandlung gar nicht beginnen konnten. In der „per-protocol“-Analyse, die nur Patienten umfasst, die tatsächlich die Medikamente erhielten, waren die Ergebnisse gleich gut. Die Rückfallrate betrug in der XR-NTX-Gruppe 52,0 Prozent gegenüber 55,6 Prozent in der BUP-NX-Gruppe.
Beide Therapien sind für Rotrosen deshalb gleichwertig. Die Aussicht auf eine opioidfreie Zukunft könnte für einen ersten Versuch mit Naltrexon sprechen. Alle Patienten, die an der „Detox“-Hürde scheitern, sollten es jedoch mit Buprenorphin versuchen, schreibt Rotrosen. In zukünftigen Studien sollte untersucht werden, unter welchen Bedingungen die Buprenorphin-Anwender später den Übergang zu Naltrexon schaffen können.
Die Verträglichkeit beider Therapien war ähnlich. Ein gewisser Unterschied bestand darin, dass es zu Beginn der Naltrexon-Behandlung häufiger zu Entzugssymptomen kommt. Ingesamt fünf Patienten starben während der Therapie an einer Überdosierung durch illegal konsumierte Opioide (zwei in der Naltrexon-Gruppe, drei in der Buprenorphin-Gruppe). Dies und die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer das Ziel Drogenfreiheit erreichten, zeigt, dass es für die derzeitige Opioidkrise in den USA keine einfache pharmakologische Lösung geben wird.
Eine weitere Option, die Methadonsubstiution, ist den meisten Ärzten in den USA verwehrt. Das Mittel, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Liste der unentbehrlichen Arzneimittel zählt, gehört in den USA zur Liste der Substanzen, die aufgrund eines hohen Abhängigkeitspotenzials nur unter Einschränkungen eingesetzt werden dürfen (Schedule II). Die rechtliche Hürde verhindert in der Regel, dass niedergelassene Ärzte es in den USA einsetzen können, obwohl die Effektivität und Sicherheit in der Substitutionsbehandlung laut Rotrosen seit vier Jahrzehnten belegt ist.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: