Pandemie: Intensivmediziner und Anästhesisten in Sorge

Berlin – Intensivmediziner und Anästhesisten erwarten im Winter eine ähnlich starke Belastung der Intensivstationen wie im vergangenen Jahr. Sie zeigen sich zunehmend besorgt und mahnen, vorzubeugen.
„Vor allem durch verstärktes Impfen müssen wir unbedingt verhindern, dass die Intensivstationen noch mehr COVID-19-Patienten aufnehmen müssen und deshalb andere Krankenhausabteilungen in ihrem Betrieb eingeschränkt werden“, sagte Götz Geldner, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA).
Um die Intensivpatienten versorgen zu können, mussten in den ersten Wellen Operationssäle zeitweise geschlossen und Schwestern und Pfleger aus der Anästhesie in die Intensivmedizin geschickt werden. Besonders nach der zweiten Coronawelle habe man gesehen, welche Auswirkungen das gehabt habe, so Geldner.
Demnach hatte sich der Zustand von Patienten, die sich dringend einer Operation zum Beispiel am Herzen oder am Rücken hätten unterziehen müssen, in den folgenden Wochen und Monaten gefährlich verschlechtert: „Das gilt es in der laufenden vierten Welle und im kommenden Winter zu vermeiden.“
Geldner appelliert gleichzeitig eindringlich an die möglichen Koalitionsparteien in Berlin, sich des Pflegenotstands und deshalb nicht belegbarer Betten auf den Intensivstationen anzunehmen. Schon heute könnten nicht alle verfügbaren Betten betrieben werden. Das verbliebene Personal sei überlastet. Der Notstand droht laut Geldner nicht nur in der Pflege, sondern auch in der Anästhesie.
Keine guten Aussichten befürchtet auch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). DIVI-Präsident Gernot Mark sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er erwarte keinen Winter, der sich groß von den vergangenen zwei erlebten unterscheide.
Er gehe zwar davon aus, dass alle Patienten voll versorgt werden könnten. „Aber es werden hierzu wieder Operationen abgesagt wie auch Pflegepersonal aus anderen Bereichen abgezogen werden müssen“, bekräftigte er frühere Aussagen.
Das DIVI-Präsidiumsmitglied Uwe Janssens kritisierte das geplante Auslaufen des Rechtsstatus der epidemischen Notlage. Die Politik habe ein „unkluges Signal“ gesetzt, sagte er dem Fernsehsender Phoenix.
„Das hat das Gefühl erzeugt, es ist vorbei.“ Neben vielen erkrankten Ungeimpften erwartet er aber mehr Infektionen auch bei Geimpften, weil die Wirkung der Impfungen nachlasse. „Es sind so viele Punkte, die dagegen sprechen, dass wir in eine beruhigte Zone einbrechen.“
Das zeigen auch Daten aus Baden-Württemberg. Nach Daten des Landesgesundheitsamtes (LGA) sind die Kliniken durch ungeimpfte Coronapatienten weit überdurchschnittlich belastet. Innerhalb von einer Woche stecken sich fast acht Mal so viele Ungeimpfte oder nicht vollständig Geimpfte an wie Menschen, die durch eine Impfung vor dem Virus geschützt sind.
Allerdings sind in diesen Angaben des Landesgesundheitsamts auch Infektionsfälle enthalten, bei denen der Impfstatus nicht bekannt ist. Dadurch wird der Wert verzerrt.
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