Personalschlüssel in der Pflege: Andere Länder machen es vor

Berlin – Gesetzlich festgelegte Personalschlüssel in der Pflege können Arbeitsüberlastung und Qualitätsmängel lindern. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Hochschule Hannover und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Die Forscher haben dokumentiert, welche rechtlichen Vorgaben für eine angemessene Personalausstattung weltweit existieren. Der Analyse zufolge wären die untersuchten Regelungen in großen Teilen auf Deutschland übertragbar.
Rechtliche Vorgaben für die Personalbemessung in der Krankenpflege sind den Studienautoren Michael Simon und Sandra Mehmecke zufolge international verbreitet. Am stärksten ausgeprägt ist die Regulierung demnach in den USA und Australien. In Kalifornien sind sogenannte „Nurse-to-Patient-Ratios“ für ein breites Spektrum an Krankenhausstationen, Notaufnahmen und Kreißsälen gesetzlich verankert, in Massachusetts für Intensivstationen. Dabei gelten je nach Versorgungsstufe und Schicht unterschiedliche Quoten. Insgesamt zwölf weitere US-Bundesstaaten haben der Auswertung zufolge ebenfalls Rechtsvorschriften zur Personalbemessung in der Krankenpflege erlassen.
In Australien gibt es in zwei Bundesstaaten gesetzliche Vorgaben, in den übrigen Bundesstaaten ist die Personalbemessung in tarifvertraglichen Vereinbarungen geregelt. In Japan, Südkorea, Taiwan und Belgien gelten laut der Studie ebenfalls Personalschlüssel. Anders als in den USA und Australien basieren die dortigen Regulierungsansätze allerdings auf sogenannten Nurse-to-Bed-Ratios. Das heißt: Maßgeblich ist die Zahl der Personalstellen im Verhältnis zur Zahl der durchschnittlich belegten Betten. Da Durchschnittswerte wenig über das tatsächlich verfügbare Personal und die Bettenauslastung zu einem bestimmten Zeitpunkt aussagen, halten Simon und Mehmecke solche Vorgaben für nur begrenzt tauglich.
Die Relation zwischen Krankenschwestern und Patienten sei nicht nur ein wichtiger Gradmesser für die Qualität der Arbeitsbedingungen, sondern beeinflusse auch die Qualität der Pflege und damit die Patientengesundheit, betonen die Wissenschaftler. Deutschland hinke dabei hinterher: Sie zitieren in ihrer Auswertung die internationale Pflege-Vergleichsstudie RN4CAST aus dem Jahr 2012, der zufolge in den USA durchschnittlich 5,3 Patienten auf eine Pflegefachkraft kommen, in den Niederlanden sieben, in Schweden 7,7 und in der Schweiz 7,9. In Deutschland müssten sich Krankenschwestern dagegen im Schnitt um 13 Patienten kümmern.
„Seit Jahren ist die Pflegepersonalbemessung in deutschen Kliniken höchst problematisch und nicht einmal annähernd auf dem Niveau anderer europäischer Staaten“, sagte Johanna Knüppel, Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK). Pflegemängel, Defizite bei der Hygiene, gravierende Kommunikationsfehler, ungenügende Patientensicherheit und eine „Abfertigung am Fließband“, seien die Folgen.
Das häufig vorgebrachte Argument gegen verbindliche Personalschlüssel, diese seien zu starr, nicht handhabbar und gäben dem Unternehmen zu wenig Spielräume, kann nach Aussage des DBfK nicht gelten. „Weltweit gibt es eine ganze Reihe von Ländern, die seit Jahren damit arbeiten und gute Erfahrungen gemacht haben“, betonte der Verband.
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