Politik

Pflege-Rettungs­schirm: Bundesrechnungshof bemängelt geringe Prüfquote

  • Donnerstag, 27. April 2023
/picture alliance, Flashpic, Jens Krick
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Berlin – In der Coronapandemie hat der Bund die Pflegeeinrichtungen in Deutschland mit sieben Milliarden Euro an Coro­nahilfen über den Pflege-Rettungsschirm unterstützt. Die Mittel wurden ohne Prüfung ausge­zahlt. Im Nachgang sollten zehn Prozent der Einrichtungen die Verwendung in Stichproben nachweisen. Der Bundesrechnungshof (BRH) übt nun scharfe Kritik an dem Vorgehen.

Die bisherigen hohen Rückforderungen zeigten, dass das im Gesetz geregelte Verfahren „missbrauchs- und fehleranfällig“ sei, heißt es in einem Report an den Bundestag, der kürzlich im Haushalts­ausschuss Thema war und der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.

In einigen Fällen seien „zu Unrecht erfolgte Zahlungen lediglich durch besondere Umstände aufgedeckt worden“, berichten die Prüfer weiter. Nur weil etwa eine Heimaufsicht eine Pflegekasse über eine Be­le­gungsobergrenze für eine Pflegeeinrichtung informiert hätte, sei aufgefallen, dass die geltend gemachten Mindereinnahmen der Pflegeeinrichtung nicht im Zusammenhang mit der Pandemie gestanden hätten.

Der Bundesrechnungshof wies darauf hin, dass eine Mindestquote von zehn Prozent der Pflegeeinrichtungen bedeute, dass „bis zu 90 Prozent der Pflegeeinrichtungen ungeprüft bleiben“ würden. Die bislang fest­gestellte hohe Rückforderungsquote lasse „auf eine hohe Dunkelziffer von zu Unrecht gezahlten Mitteln des Pflege-Rettungsschirms schließen“.

Der BRH verweist in dem Bericht auf Zahlen des GKV-Spitzenverbands an das Bundesministerium für Gesund­heit (BMG), wonach die Pflegekassen zum Stichtag 1. September 2022 insgesamt sieben Prozent der nachge­lagerten Nachweisverfahren für Auszahlungen im Jahr 2020 abgeschlossen hatten.

Die Pflegeeinrichtungen mussten demnach rund 32,4 Millionen Euro zurückzahlen. Dem standen rund 2,4 Millionen Euro Nachzahlungen der Pflegekassen gegenüber. Für das Jahr 2021 waren zum Stichtag 1. Sep­tember 2022 insgesamt zwei Prozent der nachgelagerten Nachweisverfahren abgeschlossen. Die Pflegeein­richtungen mussten rund 690.000 Euro zurückzahlen und die Pflegekassen rund 55.000 Euro nachzahlen.

Die Zahlen wiegen für den BRH schwer. Die Prüfer empfehlen daher, dass der GKV-Spitzenverband die Pflege­kassen eindringlich auf ihre Vermögensbetreuungspflicht hinweisen sollte. Darüber hinaus sollten bei künf­tigen ähnlichen Unterstützungsmaßnahmen für Pflegeeinrichtungen „schon im Antragsverfahren und damit vor Auszahlung von Mitteln Belege von den Pflegeeinrichtungen“ angefordert werden.

„Es hat sich gezeigt, dass die Pflegeeinrichtungen mit den Pflegekassen zu diesem Zeitpunkt besser kooperie­ren als nach der Auszahlung. So könnte auch ein möglicher Missbrauch in einem frühen Stadium verhindert werden“, erklärt der BRH. „Zu Unrecht gezahlte Mittel und aufwendige Rückforderungsverfahren würden mini­miert“.

Der BRH wies auch darauf hin, dass die Prüfung im Nachweisverfahren mit erheblichem Aufwand verbunden sei. Die Pflegekassen seien auch ohne den Pflege-Rettungsschirm stark ausgelastet. Zu berücksichtigen sei aber auch die in den relativ wenigen überprüften Fällen festgestellte hohe Quote an ungerechtfertigten Zahlungen aus dem Pflege-Rettungsschirm.

„Die festgestellten Fehlerquoten und Rückzahlungen von über 32 Millionen Euro in einem Zeitraum von le­dig­lich zehn Monaten bei einer Mindestprüfquote von zehn Prozent sind ein deutliches Warnsignal. Vor die­sem Hintergrund ist eine hohe Dunkelziffer an ungerechtfertigten Erstattungen zu befürchten“, so der BRH.

Man empfehle daher, die politisch gewünschte schnelle und möglichst unbürokratische Auszahlung einerseits und die angesichts der nun festgestellten Mängel dringend erforderlichen Prüfungen der Anträge und Aus­zahlungen andererseits „zu einem sinnvollen Ausgleich zu bringen“. Da es sich um Mittel der Beitragszah­ler und Mittel aus dem Bundeshaushalt handele, sollte der Kontrolle ein stärkeres Gewicht zugestanden werden.

Abgeordnete aus dem Haushaltsausschuss des Bundestags stärkten dem BRH den Rücken. „Die Fehlerquote beim sieben Milliarden schweren Pflege-Rettungsschirm ist nach den Coronatestzentren und den Coronaboni ein weiteres Beispiel dafür, wie in der Coronapandemie zu oft Milliarden an Steuergeldern zwar schnell, aber ohne ausreichende Antragsprüfung ausgezahlt wurden“, sagte die Ärztin und Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta dem Deutschen Ärzteblatt.

Sie betonte, fehlende Plausibilitätsprüfungen vor Auszahlung benachteiligten ehrliche Antragsteller, ver­schwendeten Steuergeld und vereitelten, dass die Ziele des Gesetzgebers erreicht würden. „Es muss eine der großen Lehren aus Corona sein: Nie wieder dürfen in der Krise Milliarden von Hilfsgeldern komplett ohne Prüfung der Antragstellung ausgezahlt werden“, sagte Piechotta.

may

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