Pflegefonds und Pandemieausgaben: Rechnungsprüfer stellen Haushaltsplan infrage

Berlin – Der Bundesrechnungshof (BRH) hat scharfe Kritik an den Haushaltsplänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) geübt. Die derzeitigen Planungen, die übernächste Woche erstmals in die Beratungen im Bundestag eingebracht werden sollen, seien bereits im Laufe der Prüfung überholt gewesen.
„Es ist aus Sicht des Bundesrechnungshofes zweifelhaft, ob die Finanzplanung in dieser Form Bestand haben kann“, schreiben die Prüfer am Ende ihres 28-seitigen Berichts an den Haushaltsausschuss des Bundestages, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Insbesondere die vorgesehene Absenkung des Zuschusses für den Pflegevorsorgefonds in Höhe von rund einer Milliarde Euro werfe „Fragen zur langfristigen Stabilität der sozialen Pflegeversicherungfinanzen auf, die auch zu künftigen Haushaltsbelastungen für den Bund führen können“, heißt es.
Die finanzielle Schieflage in der Pflegeversicherung wecke Sorgen vor einer „Zahlungsunfähigkeit“. Der Bericht beschreibt die gesetzgeberischen Eingriffe zur Stabilisierung, sieht aber auch, dass das Pflege-Unterstützungs- und Entlastungsgesetz nur eine „finanzielle Atempause“ war.
Laut Bundesrechnungshof will das BMG bis zum 31. Mai 2024 Vorschläge für eine „stabile und dauerhafte Finanzierung“ der Pflegeversicherung vorliegen. Solch ein Konzept fehlt allerdings bei den Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung seit Juni 2023, was der Bundesrechnungshof ebenso kritisch anmerkt.
Besonderer Schwerpunkt des Berichtes an den Haushaltsausschuss des Bundestages sind die Ausgaben für die Pandemie, die das BMG in den vergangenen drei Jahren geleistet hat. Dabei erkennt der Bundesrechnungshof an, dass viele Leistungen und Verpflichtungen im Jahr 2023 enden und die Mittel 2024 deutlich geringer ausfallen.
So wurden bis zum Jahr 2022 insgesamt 19 Milliarden Euro für die Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser für verschobene oder ausgesetzte planbare Operationen ausgezahlt. Für 2024 seien noch mal zehn Millionen Euro aufgelistet, „da aufgrund anstehender Entscheidungen in laufenden Gerichtsverfahren weitere Mittelabflüsse möglich sind“, heißt es.
Die Ausgleichszahlungen von 19 Milliarden Euro wurden vom Rechnungshof bereits im Jahr 2022 kritisch betrachtet. „So flossen in bestimmten Zeiträumen mehr staatliche Mittel an Krankenhäuser als diese an Einnahmen pandemiebedingt eingebüßt hatten“, heißt es.
Daher dränge sich der Eindruck auf, dass diese Ausgleichszahlungen „in weiteren Teilen dazu dienten, allgemein die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser zu sichern, die durch den Rückgang von Belegungszahlen gefährdet waren.“ Da der Bund nicht für die Krankenhausfinanzierung zuständig ist, sei es „nicht sachgerecht, länger anhaltend und flächendeckend Krankenhäuser zu subventionieren“.
Kritik an Bundesländern
Deutliche Kritik in diesem Zusammenhang auch an den Bundesländern: Einer „auskömmlichen Investitionsfinanzierung und einer sachgerechten Krankenhausplanung“ kämen diese nicht nach.
Es besteht auf Seite des Bundesrechnungshofes die Sorge, dass „eine Verantwortung des Bundes für die Finanzierung von Krankenhäusern schleichend ausgebaut wird, während der Druck auf die Länder in keiner Weise erhöht wird", schreiben die Prüfer. Aus deren Sicht gab es über Jahre „systemwidrige Zahlungen in Milliardenhöhe, mit denen letztlich zu einem großen Teil Versäumnisse der Länder ausgeglichen wurden“.
Aufgelistet werden in dem Zusammenhang zusätzliche Versorgungsaufschläge für Sonderbelastungen in Krankenhäusern von drei Milliarden Euro, Beiträge zum Krankenhauszukunftsfonds von ebenfalls drei Milliarden Euro sowie Ausgleiche für höhere Energiekosten in Höhe von sechs Milliarden Euro.
„Der Bundesrechnungshof hält es für erforderlich, die Finanzierungsverantwortung der Länder künftig wieder stärker zu betrachten und Rufen nach einer weiteren Kostenübernahme in der Krankenhausversorgung durch den Bund eine Absage zu erteilen“, heißt es weiter.
Kritisch betrachtet der Bundesrechnungshof auch alle weiteren Ausgaben rund um die Bewältigung der Coronapandemie – besonders bei den Bürgertestungen sowie den entsprechenden Abrechnungsprüfungen durch verschiedene Körperschaften.
Dazu zählen auch die Kassenärztlichen Vereinigungen, das Robert Koch-Institut (RKI) oder die zuständigen Stellen bei den Ländern. Hier wurde nach Ansicht des Bundesrechnungshofes keine „wirkungsvolle Betrugsbekämpfung“ vorgesehen. Genauere Kontrollen werden derzeit geprüft, ein Bericht dazu soll demnächst vorliegen.
Wenig Spielraum für Prüfungen gab es auch bei Auszahlungen des Pflegerettungsschirmes, der zwischen März 2020 und Juni 2022 Kosten in Höhe von rund 7,3 Milliarden Euro verursachte. Bei nachgelagerten Prüfungen der Pflegekassen mussten von zehn Prozent der Einrichtungen Nachweise vorliegen, ob die Zahlungen korrekt waren. „Hierbei zeigte sich eine hohe Fehlerquote mit teils erheblichen Rückforderungssummen.“ Daher hätten hier mehr als zehn Prozent der Einrichtungen geprüft werden müssen.
Weitere Berichte angekündigt
Die Erstattungen von Testkosten an Pflegeeinrichtungen, die mit einem Ausgabevolumen von 4,4 Milliarden Euro zu Buche schlagen, werden in einem weiteren Bericht des Bundesrechnungshofes aufgearbeitet. Auch dieser soll demnächst dem Haushaltsausschuss vorgelegt werden.
Weitere Rückforderungen erwartet der Bundesrechnungshof auch für das Jahr 2024 beim Thema Beschaffung von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA): Der Haushaltsentwurf des BMG sieht 15 Millionen Euro vor.
Dass dies nicht reiche, bekräftigt auch der Bundesrechnungshof. Das BMG selbst geht in dem Bericht von 370 Millionen Euro aus, die „allein für die Abwicklung der PSA-Beschaffung“ nötig sind. Hierein fallen Kosten aus noch ausstehenden Gerichtsurteilen.
Diesen Unterschied in der Planung und der benötigten Mittel sei noch nicht geklärt. „Bis zur Verabschiedung des Haushaltes wollen BMG und Bundesfinanzministerium einen Losungsvorschlag verabschieden“, schreibt der Bundesrechnungshof. Auch zu diesem Thema werden weitere Berichte an den Haushaltsausschuss folgen.
Bei der Impfstoffversorgung gegen COVID-19 habe das BMG die zwischen 2024 und 2027 fälligen Verpflichtungsermächtigungen von 748 Millionen Euro nicht im Haushalt aufgelistet. „Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 bildet diesen Stand noch nicht ab und sieht bislang keinen Mittelansatz vor", schreibt der Rechnungshof.
Und weiter: „Das BMG und das BMF beabsichtigen, hier bis zum Ende des parlamentarischen Verfahrens noch eine Klärung herbeizuführen.“ Wohlmöglich, so vermutet der Rechnungshof, durch eine „ausnahmsweise unterjährige Ermächtigung zur Bildung von Ausgaberesten“, die das Bundesfinanzministerium gewährt. Dies sei bereits in den Vorjahren passiert, heißt es.
Das wird allerdings kritisch betrachtet: „Die Haushaltstransparenz wird eingeschränkt, wenn Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe nicht bedarfsgerecht veranschlagt, sondern aus Ausgaberesten zu Lasten des Gesamthaushalts bestritten werden. Notwendige Ausgaben für eingegangene Verpflichtungen von erheblicher finanzieller Bedeutung sollten eindeutig im Einzelplan abgebildet werden", so das Fazit. Auch hierzu will der Bundesrechnungshof demnächst einen eigenen Bericht vorlegen.
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