Pflegebedürftigkeit: Entlastung von Angehörigen beschlossen

Berlin – Der Bundestag will Angehörige von Pflegebedürftigen stärker entlasten. Das beschloss das Parlament gestern mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sowie der Grünen.
Nach dem Entwurf sollen Kinder mit einem Jahresbruttoeinkommen von weniger als 100.000 Euro künftig nicht mehr für die Heimkosten ihrer pflegebedürftigen Eltern aufkommen müssen. Auch Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderungen sollen entlastet werden. Der Bundesrat muss dem Gesetz allerdings noch zustimmen. Kritik gibt es vor allem wegen der Kostenfrage.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach von einer wichtigen Entlastung. In einer emotional ohnehin schwierigen Situation „nehmen wir den pflegenden Angehörigen eine unkalkulierbare Last von den Schultern“, so Heil. Er sprach von einem „Beitrag zur Menschlichkeit“.
Die Grünen-Abgeordnete Corinna Rüffer erklärte, sie bedauere, dass etwa Eltern von minderjährigen Kindern mit Behinderungen nicht berücksichtigt würden. Ihre Fraktion stimme dem Gesetz trotzdem im Grundsatz zu.
Kosten auf Kommunen abgewälzt
AfD, FDP und Linke kritisierten das Gesetz als nicht ausreichend. Die Kosten würden auf die Kommunen abgewälzt, die unter den Lasten zusammenbrechen würden, so der AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl. Auch der FDP-Abgeordnete Jens Beeck nannte die Aufteilung der Kosten „grundfalsch“. Der Linken-Abgeordnete Matthias W. Birkwald, meinte, trotz des Gesetzes werde es „keinen Menschen weniger geben, der Sozialhilfe beantragen muss“.
Der Deutsche Städtetag fordert derweil einen Ausgleich für zu erwartende Millionen-Mehrkosten. „Das Ziel des Angehörigen-Entlastungsgesetzes ist richtig und wichtig, weil es Kinder in der Pflege ihrer Eltern entlastet und Eltern bei der Pflege von Kindern“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Allerdings würden sich durch die neuen Einkommensgrenzen für Angehörige von 100.000 Euro Jahreseinkommen viel weniger Angehörige an den Pflegekosten beteiligen.
Es sei mit Mehrbelastungen für die Städte als Träger der Sozialhilfe von jährlich etwa 500 Millionen Euro zu rechnen, so Dedy. Das Gesetz sehe dafür bisher keinerlei Kostenausgleich vor. „Deshalb ist es gut, dass die Koalitionsfraktionen zusätzlich fordern, dass der Bund die Kostenentwicklung für die Kommunen bis 2025 evaluieren muss“, so Dedy weiter. Außerdem müssten nachgewiesene Mehrbelastungen den Kommunen vollständig ausgeglichen werden.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz glaubt indes nicht an spürbare Verbesserungen durch die neue Regelung. Das Gesetz „klingt groß, wird aber in der Praxis kaum zu spüren sein“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Denn von den vier Milliarden Euro, die die Kommunen für die Sozialhilfe von Pflegebedürftigen zahlen, können sie sich heute gerade einmal 77 Millionen von den Angehörigen zurückholen. Das seien zwei Prozent.
Also könne das Gesetz, das nur in diesem Bereich greife, auch nur eine Entlastung von wenigen Millionen Euro bringen, so Brysch weiter. Kaum einen Angehörigen werde das betreffen: „Doch das Kernproblem bleibt. Die pflegebedürftigen Menschen selbst werden nicht entlastet. Pflege macht weiterhin arm und zwingt viele Betroffene in die Sozialhilfe.“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte für das erste Halbjahr 2020 einen Vorschlag zur Finanzreform in der Pflegeversicherung angekündigt. Details dazu gibt es noch nicht.
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